Kyritz-Ruppiner Heide
Streumunition ohne Ende – Brandenburg wird das Erbe aus Sowjet-Zeiten nicht los
Im Ex-Bombodrom übte die sowjetische Armee einst, wie man Bomben abwirft. Nirgendwo sonst in Deutschland liegt gefährliche Streumunition im Boden.

Der Metalldetektor dicht über dem Waldboden piepst unentwegt. Die Sondengänger suchen Meter für Meter ab – im Auftrag des Bundes. Der einstige sowjetische Truppenübungsplatz in der Kyritz-Ruppiner Heide zwischen Berlin und Hamburg muss von alter Streumunition befreit werden, die nirgendwo sonst noch in Deutschland liegt. Sie gilt als besonders tückische Kriegswaffe und ist international geächtet.
Bis 2025 soll die Räumung von Streumunition auf dem Areal im Nordwesten Brandenburgs, das unter dem Namen Bombodrom bundesweit bekannt wurde, beendet sein. Doch der Zeitplan wackelt. „Es kann sein, dass wir es nicht schaffen“, sagt der Leiter des Bundesforstbetriebs Westbrandenburg, Rainer Entrup. Er betreut die Fläche im Eigentum der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben. Rund 200 Frauen und Männer sind für die Munitionsbergung auf dem Gelände im Einsatz. Das sowjetische Militär nutzte den früheren Luft-Boden-Schießplatz jahrzehntelang. Dort übten sie unter anderem das Abwerfen von Bomben aus Flugzeugen und setzten Streumunition russischer Bauart ein.
Fast jede Woche wird gesprengt
„Hier ist alles geschossen worden, was die russische Armee in den letzten 40 Jahren zur Verfügung hatte. Das Gelände ist komplett voll mit Metall“, schildert Entrup. Die Sondengänger, die für die Munitionssuche zuerst exakte Parzellen am Boden abstecken, finden viele Splitter von Raketen und Granaten, aber eben auch Unmengen der weiterhin gefährlichen Streumunition, die von der Größe an einen Tennisball erinnert und von außen beinahe harmlos aussieht.
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„Da sieht man kein Ende“, sagt Monty Neider von einem Unternehmen zur Kampfmittelbergung. Der frühere Elektriker ist als Truppführer fürs Munitionslager zuständig, in dem die explosiven Funde teils in gekühlten Containern aufbewahrt werden. Fast jede Woche wird Material gesprengt. Rund 6000 Stück Streuwaffen haben Kampfmittelräumer von zwei Fachfirmen auf der 1100 Hektar großen Verdachtsfläche, die seit 2017 abgesucht wird, bereits gefunden. Auch gepanzerte Bagger sind im Einsatz. Die Kosten bislang? Nach Angaben von Entrup sind es insgesamt rund 200 Millionen Euro.
Ex-Bombodrom – Munition noch für Generationen im Boden
Das Ex-Bombodrom ist bundesweit vor allem auch wegen 17 Jahre dauernder Bürgerproteste in Erinnerung. Die Menschen wehrten sich gegen Pläne der Bundeswehr, nach dem Abzug der sowjetischen Truppen das Gebiet zu Übungszwecken für die Luftwaffe zu nutzen. Im Sommer 2009 konnte die Protestbewegung jubeln: „Die Heide ist frei.“ Der damalige Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) verkündete, dass die Bundeswehr das Areal im Nordwesten Brandenburgs aufgibt.

Wegen der Munitionsbelastung ist fast das ganze 120 Quadratkilometer große Wald- und Heidegebiet nach wie vor gesperrt. Ein kleiner Teil von etwa 900 Hektar ist für die Öffentlichkeit gefahrlos zugänglich. „Man hat sich in der Vergangenheit an dem Gelände sehr versündigt“, sagte Landrat Ralf Reinhardt (SPD). „Die Last wird noch für Generationen im Boden bleiben.“ Denn es besteht die Pflicht, Streumunition in bis zu 30 Zentimetern Tiefe herauszuholen – somit dürften nicht alle Granaten und Bomben gefunden und unschädlich gemacht werden.
Inzwischen ist zum Wandern, Radfahren und für Kutschfahrten ein 13 Kilometer langer Weg auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz freigegeben. Tagestouristen besuchen die Kyritz-Ruppiner Heide – eine der größten Heideflächen Deutschlands, die gerade im August und September kräftig lila blüht. Die Heinz-Sielmann-Stiftung, die einen Teil der Naturlandschaft übernommen hat, nennt die Heide Jahrzehnte nach dem Fluglärm einen „Ort der Ruhe“. Dort leben rund 2000 Arten. „Statt Kampfjets fliegen hier nun Trauermantel und Bläulinge“, beschreibt es die Stiftung.