Musik des 15-jährigen Wolfgang Amadeus Mozart

Neue Oper von Mozart: Welturaufführung in der Uckermark!

In der Marienkirche Angermünde: „Judith“ kombiniert die Musik des jungen Genies mit Texten von Friedrich Hebbel 

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Anna Vishnevska singt bei der Probe zur Uckeroper „Judith“ in der Marienkirche von Angermünde.
Anna Vishnevska singt bei der Probe zur Uckeroper „Judith“ in der Marienkirche von Angermünde.Patrick Pleul/dpa

Die Uckermark ist für ihre Landschaften und erholsamen Urlaub bekannt, aber sie kann auch Oper. Große Oper. In der ländlich geprägten Region gibt es immer mehr Kunst und Kultur, seit 2021 sogar ein eigenes Musiktheater. Im August feiert die zweite Inszenierung der Uckeroper Premiere.

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„Was hör’ ich?“, singt Anna Vishnevska voller Inbrunst und ihr klarer Sopran erfüllt die Marienkirche in Angermünde. In dem mächtigen Kirchenschiff wirkt die 45-jährige Sängerin in ihrem knallroten Kleid noch etwas verloren. Nur ein Pianist begleitet die zierliche Künstlerin mit den dunklen Locken bei der Probe – von einer Bühne nebst Kulisse oder Orchestermusikern keine Spur. Bis zum 12. August dieses Jahres wird sich das ändern. Dann hat die zweite Ausgabe der Uckeroper mit dem Stück „Judith“ Premiere.

„Die Region hat zwar kein eigenes Opernhaus inklusive Ensemble, aber trotzdem Inszenierungen klassischer Musik inklusive Gesang“, sagt Holger Müller-Brandes. Der Opernregisseur aus Berlin arbeitet seit 2016 für die evangelische Kirche in der Uckermark, lernte in Angermünde die in der Nähe wohnende und aus Schweden stammende Opernsängerin Brigitta Rydholm kennen.

Die Uckeroper feiert schon ihre zweite Premiere

Zusammen entwickelten sie die Idee der Uckeroper als neues Angebot in der Region zwischen Berlin und dem polnischen Stettin. „Die Uckermark gilt zwar als dünn besiedelt, Natur und Erholung stehen meist im Fokus. Doch dabei wird unterschätzt, dass auch hier Kulturinteressierte leben – nicht nur Alteingesessene, sondern auch Zugezogene und Wochenend-Uckermärker“, sagt er. Anet Hoppe, die Geschäftsführerin von Tourismus-Marketing Uckermark, verweist auf die Bedeutung von Kunst und Kultur für eine Weltoffenheit auch im ländlichen Raum. „Eine eigene Oper – wer hat das schon?“, meint sie stolz.

Der Berliner Opernregisseur Holger Müller-Brandes bei der Probe zur Uckeroper „Judith“ in der Marienkirche von Angermünde.
Der Berliner Opernregisseur Holger Müller-Brandes bei der Probe zur Uckeroper „Judith“ in der Marienkirche von Angermünde.Patrick Pleul/ dpa

Mitten in der Corona-Pandemie hatte die erste Uckeroper vor zwei Jahren Premiere. Mit ausverkauften Vorstellungen in der Angermünder Franziskaner-Klosterkirche. Aufgeführt wurde ein in Deutschland eher unbekanntes, zeitgenössisches Werk. „Dein ist das Reich“ des schwedischen Komponisten Jonas Forssell behandelte ein aktuelles Thema: Es ging um eine lateinamerikanische Flüchtlingsfamilie, die in einem schwedischen Nonnenkloster Zuflucht fand. „Wir wollten Musik und Handlung in möglichst großer Dichte und Nähe zum Publikum bringen, ein anderes Erlebnis als in einem klassischen Opernhaus schaffen. Die Kombination aus Unterhaltung und Auseinandersetzung mit zeitrelevanter Thematik hat funktioniert“, sagt Müller-Brandes.

Die Oper „Judith“ kombiniert Musik von Mozart mit Texten von Hebbel

Dadurch motiviert, nahmen er und seine Mitstreiter nun die nächste Inszenierung in Angriff. „Unser Anspruch: Wir wollen Stücke zeigen, die woanders nicht inszeniert werden. Denn großen Opernhäusern können und wollen wir nicht Konkurrenz machen“, bleibt der Künstler realistisch. Bei „Judith“ handelt es sich nicht um eine fertige Oper. Vielmehr nutzen die Künstler das Oratorium „La Betulia Liberata“, das Wolfgang Amadeus Mozart im Alter von 15 Jahren schrieb. Das Musikstück wird mit den Texten des Schauspiels „Judith“ von Friedrich Hebbel kombiniert.

Thematisch geht es um die biblische Geschichte des Feldherrn Holofernes, der die jüdische Stadt Bethulien durch Belagerung aushungert. Judith tritt ihm allein entgegen, um ihre Heimat zu retten. Sie enthauptet ihn in einer Liebesnacht.

Notenblätter von Mozart liegen bei der Probe in der Marienkirche.
Notenblätter von Mozart liegen bei der Probe in der Marienkirche.Patrick Pleul/dpa

„Ich habe das Gefühl, das ist genau meine Rolle“, sagt die in Hamburg lebende ukrainischstämmige Sängerin Anna Vishnevska. „Die Handlung hat mich sehr an die Situation in meinem Heimatland erinnert.“ Die Besetzung sei nicht nach der Herkunft der Künstler ausgewählt worden, sagt Opernregisseur Müller-Brandes. „Aber es ist ein passender Zufall.“

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Die sechs Gesangsrollen wurden ausgeschrieben, zum Vorsingen waren rund 40 Sänger aus ganz Deutschland eingeladen. Der Vorteil: Im Sommer gibt es an Theatern und Opernhäusern keinen Spielbetrieb – die Künstler haben Zeit für andere Projekte. „So finden wir wirklich gute Leute“, schwärmt er.

Die Solo-Sänger werden durch einen 20-köpfigen Chor unterstützt, ausgewählt aus Laienensembles der Region. Dazu kommen mehr als 20 Musiker des Preußischen Kammerorchesters Prenzlau, die in der Kirchenempore Platz finden, vom Altar bis vor die Kanzel wird eine 20 Meter lange Bühne aufgestellt.

Die Marienkirche in Angermünde
Die Marienkirche in AngermündeWolf P. Prange/imago

Inzwischen ist in Angermünde und in der Region ein ganzes Netzwerk an Unterstützern der Uckeroper entstanden. „Wir dürfen den Kostümfundus der Uckermärkischen Bühnen Schwedt nutzen, haben in einem Angermünder Sanitätshaus eine tolle Werkstatt gefunden, außerdem einen Schneider. Unsere Bühnenbilder entstehen in den Uckermärkischen Werkstätten“, beschreibt Müller-Brandes. Finanziert wird die neue Uckeroper durch Zuwendungen vom Land Brandenburg, der Kreisverwaltung Uckermark, der Stadt Angermünde sowie von Stiftungen und Sponsoren.

Vier Aufführungen gibt es in der Angermünder Marienkirche

Die Schirmherrschaft hat Brandenburgs Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke (SPD) übernommen. Damit will sie Projekte im ländlichen Raum unterstützen, die Bürger mit Kunst verbinden. Die Uckeroper sei nur in Angermünde möglich, weil sich hier musikalische Akteure, Werkstätten und das Preußische Kammerorchester zusammenfinden würden, so die Politikerin. „Der kleine Kunstraum ist flexibel, viel schneller entscheidungsfähig als ein Opernhaus, bestens geeignet für Experimente – weit genug von Berlin entfernt und nah genug, um dort erfolgreich wahrgenommen zu werden“, sagt Liedtke.

Vier Vorstellungen wird es vom 12. August an in der Angermünder Marienkirche geben, zwei weitere im September in der Marienkirche Prenzlau.

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Die Uckeroper soll es künftig jährlich geben, sagt Müller-Brandes. „Wir schaffen zwar nicht jedes Jahr eine große Inszenierung, aber kleinere Formate, leicht zu transportieren und so an unterschiedlichen Spielstätten machbar.“ An Stoffen dürfte es seiner Ansicht nach nicht mangeln, schließlich seien viele Opern eigentlich Kammerspiele mit nur wenigen Figuren. Für 2024 laufen bereits Vorbereitungen: Dann soll George Bizets „Carmen“ mit drei Sängern sowie Gitarre, Cello und Akkordeon in Angermünde inszeniert werden.