Brandenburg: Die große Angst vor dem Mega-Blackout – überall im Land fehlen Notstromaggregate und Sirenen
Sicherheit und Ordnung könnten zusammenbrechen, wenn ein flächendeckender Blackout mehr als 30 Stunden dauert.

Die Angst vor einem Blackout, weil die Energieversorgung zusammenbrechen könnte: Züge bleiben mitten auf der Strecke stehen, Supermärkte bleiben zu, Herd, Kühlschrank und Telefon funktionieren nicht: Dieses Horror-Szenario malt das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) für den Fall eines längeren Stromausfalls an die Wand. Dazu kommen Auswirkungen für Krankenhäuser. Besonders Brandenburg ist darauf schlecht vorbereitet.
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„Wenn es kommt, sind wir ziemlich blank“, sagt Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU), dessen Haus die Vorbereitungen für den schlimmsten anzunehmenden Fall vorantreibt. „Es fehlt noch an vielem, wir arbeiten intensiv daran.“
Eine erste Prüfung in den Kreisen ergab, dass die Zahl mobiler Notstromaggregate nicht ausreicht, wie der Präsident des Landkreistages, Siegurd Heinze (parteilos) mitteilt. Die Geräte sind unter anderem für die Treibstoffversorgung, also Tankstellen, wichtig. Auch bei modernen Sirenen soll weiter nachgearbeitet werden.
„Mit unseren zwei großen Schiffsdiesel-Notstromaggregaten haben wir bei vollem Dieseltank eine Reichweite von etwa sieben bis zehn Tagen für die Notstromversorgung – je nach Energieabruf“, erklärt der Geschäftsführer des Klinikums Ernst von Bergmann in Potsdam, Hans-Ulrich Schmidt. „Damit können wesentliche Bereiche des Klinikums mit Strom versorgt werden.“
Alles könnte zusammenbrechen, wenn ein flächendeckender Blackout mehr als 30 Stunden dauert
Nach einer Erhebung des Deutschen Krankenhaus-Instituts (DKI) reicht die Überbrückung mit einer Notstromversorgung bei mehr als der Hälfte der Krankenhäuser (59 Prozent) aber nur für wenige Tage.
Auch Katastrophenschutz- und Hilfsorganisationen sollen im Krisenfall vor allem sogenannte kritische Infrastruktur wie etwa die Trinkwasserversorgung aufrechterhalten. Dem Technischen Hilfswerk stehen nach eigenen Angaben bundesweit 4900 Stromaggregate und mehr als 600 Netzersatzanlagen zur Verfügung.
Brandenburg hält in einem zentralen Katastrophenschutzlager in Beeskow (Oder-Spree) zudem Ausrüstung bereit. Gegen einen Ausfall des Digitalfunks für Sicherheitsbehörden will sich das Land mit neuen Dieselaggregaten und Brennstoffzellen bis 2023 wappnen. Es kann laut Innenminister Stübgen wegen hoher Nachfrage aber auch Lieferengpässe geben.
Sicherheit und Ordnung könnten zusammenbrechen, wenn ein flächendeckender Blackout mehr als 30 Stunden dauere, meint der Landrat des Landkreises Barnim, Daniel Kurth (SPD), der selbst als Ehrenamtlicher die Katastrophenschutzarbeit kennt. „Ich kann nicht für 192.000 Einwohner in meinem Kreis die Stromversorgung sicherstellen.“
Kurth will seine Region jetzt besser auf einen möglichen Ernstfall vorbereiten. „Wir müssen unsere Jobs machen in den öffentlichen Verwaltungen. Dialyse-Patienten haben keine Zeit, dass wir uns 48 Stunden überlegen, was wir mit ihnen machen. Für die müssen wir Antworten haben, und zwar relativ zügig.“

Auch Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) schafft neue Technik für einen besseren Katastrophenschutz an. „In Deutschland reden wir zwar viel drüber momentan. Wir machen aber eigentlich nur unsere Hausaufgaben, die wir in den letzten Jahren auf kommunaler Ebene ein Stück nach hinten geschoben haben“, sagt Schubert, der unter anderem ein Katastrophenschutzzentrum entwickeln will.
Überprüfung für den Ernstfall: Am 8. Dezember steigt der bundesweite Warntag
Die Landkreise setzen aber auch auf die Selbsthilfe der Bevölkerung und raten, zu den Tipps des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) zu greifen. Dabei geht es um einen Lebensmittelvorrat zu Hause und alternative Energiequellen. Das BBK berichtete bereits von einem breiten Interesse an privater Notfallvorsorge.
„Wenn alle ein Stück mitmachen, ist in der ersten Zeit das Chaos noch gar nicht so groß“, sagt Landrat Kurth. „Die Leute dürften auch nicht in Panik geraten, nur weil die Bankautomaten nicht funktionieren.“ Im Ernstfall gehe es auch um Solidarität in der Gesellschaft, ein „Unterhaken“, appelliert der Landrat.
Sein Kollege im Oberspreewald-Lausitz, Siegurd Heinze, berichtet, die Kommunen könnten zentrale Anlaufpunkte für die Bevölkerung ausweisen. Aber auch jeder Bürger solle sich bewusst mit einem möglichen, länger andauernden Stromausfall auseinandersetzen.
Nach den Erfahrungen während der Flutkatastrophe in Westdeutschland 2021 und möglichen Risiken als Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine wurden zur Warnung der Bürger auch mehr moderne Sirenen installiert. Laut Landrat Heinze sollen sie so ausgestattet sein, dass sie eben auch ohne Strom ertönen können.
In Brandenburg wird die Fertigstellung aller Sirenen erst bis September 2023 umgesetzt sein, wie das Innenministerium mitteilt. Mit dem Förderprogramm des Bundes seien bisher 192 neue Sirenen dazugekommen, 2600 solche Alarmgeräte gab es bereits vor der Flutkatastrophe. Der Innenminister fordert, die Bundesregierung solle auch 2023 Geld dafür bereitstellen.
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Ob das Warnsystem im Krisenfall Schwachstellen hat, kann sich beim bundesweit geplanten Warntag am 8. Dezember zeigen. Dann wird nach einiger Verzögerung ein neues Katastrophen-Warnsystem per Cell Broadcast getestet, nachdem 2020 ein bundesweiter Probealarm schiefgegangen war.
Alle Handynutzer, die sich zu einer bestimmten Zeit im Bereich einer Funkzelle aufhalten, sollen am 8. Dezember um 11 Uhr eine Mitteilung, die wie eine SMS aussieht, erhalten. Aber auch Sirenen können zur Probe aufheulen – die, die einsatzfähig sind.