Klassiker unter Palmen: Die zitronige Torte mit Holunder ist bei den Gästen beliebt.
Klassiker unter Palmen: Die zitronige Torte mit Holunder ist bei den Gästen beliebt. Foto: Volkmar Otto

Es soll schon Kinder gegeben haben, die weinten, weil das letzte Stück des zitronigen Cheesecakes in der Vitrine an den Vordermann ging. Die Kuchen, Torten und Scones im Café Mint sind so delikat, dass sich das längst über die Grenzen von Pankow hinweg herumgesprochen hat. Sommers, an den Wochenenden, trudeln Menschenmassen hier ein und stellen sich geduldig in eine lange Schlange für die Köstlichkeiten, die Tom Rolleston und sein Team vom Café Mint über die selbstgebaute Theke reichen. Doch damit ist bald Schluss.

Tom Rolleston, der Mann mit irischer Gewitztheit, englischem Understatement und einer buddhagleichen Ruhe hat in zehn Jahren aus einem eher simplen, wenn auch schönen Gewächshaus einen Anziehungspunkt im Norden Berlins gemacht. Zeitgleich mit der größer werdenden Fangemeinde des Cafés wuchs auch das Interesse vieler Menschen am Botanischen Garten in Pankow, der nun in unruhiges Fahrwasser gerät.

Tom Rolleston hinter seinem Café-Tresen.
Volkmar Otto
Tom Rolleston hinter seinem Café-Tresen.

1909 wurde der heutige Volkspark als zentraler Berliner Schulgarten angelegt. Auf 34 Hektar gibt es Felder, Wald und Wiesenflächen. Als „Zentralstation der Jungen Naturforscher ,Walter Ulbricht’" bekam der Park in den 50er-Jahren ein Wildgehege mit Damwild. 1977 übernahm die Humboldt-Universität die Verwaltung. Heute flanieren Besucher entlang von Staudenbeeten, durch Obstbaum-Alleen und durch Urwald. Kaum einer, der nach dem Sonntagsspaziergang nicht bei Tom einkehrt.

Und kaum einer, der wusste, dass das Café stets nur ein Provisorium war. Zu perfekt der Milchschaum auf den Kaffees, zu akkurat dekoriert die Torten in der Vitrine.

„Es war von Anfang an der Plan, ein separates Gebäude zu errichten, in dem auch das Café ein neues Zuhause finden könnte“,  schreibt Tom Rolleston auf der Webseite des Cafés. Dazu sei es jedoch nie gekommen. „Bis zuletzt haben es die Entscheidungsträger im Bezirk nicht geschafft, die Zukunftsvision für den Park, die Grün Berlin seit Jahren versucht hat anzuschieben, zu beschließen oder eine andere langfristige Perspektive zu formulieren. Wir arbeiten seit Anfang an mit kurzfristigen Verträgen von nur einem oder zwei Jahren.“

Wie es mit dem Botanischen Garten weiter geht, wird derzeit ausgelotet.
Foto: Volkmar Otto
Wie es mit dem Botanischen Garten weiter geht, wird derzeit ausgelotet.

In den vergangenen zehn Jahren hatte die landeseigene Grün Berlin Gmbh das Areal übernommen und plante eine umfassende Weiterentwicklung zu einem Ort der Umweltbildung, der als Pendant zum Botanischen Garten in Lichterfelde hätte gelten können. Doch seit Ende des Jahres 2021 ist Schluss damit.

„Grün Berlin bedauert, dass keine Einigung über eine Fortführung ihres Engagements im Botanischen Volkspark Blankenfelde-Pankow erzielt werden konnte“, schreibt eine Sprecherin auf Nachfrage.  Nachdem im vergangenen Jahr in mehreren Gesprächen die Rahmenbedingungen für einen neuen Nutzungsvertrag mit dem Bezirk Pankow abgestimmt worden seien, sei die Entscheidung, keinen neuen Nutzungsvertrag mit Grün Berlin einzugehen, überraschend gekommen.

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Der Bezirk Pankow will aus Kostengründen  den Park zukünftig selber betreiben. Doch wie das vonstatten gehen soll, ist offen. Das chronisch unterbesetzte Grünflächenamt Pankows muss bereits jetzt Fremdfirmen einsetzen, um den 34 Hektar großen Park instand zu halten.  Die geplante Weiterentwicklung des Parks mit seiner stetig wachsende Gästezahl ist vorerst gestoppt.

Das Café Mint im Gewächshaus war schon lange ein Provisorium.
Volkmar Otto
Das Café Mint im Gewächshaus war schon lange ein Provisorium.

Dabei waren im Landeshaushalt der Grün Berlin für die Umsetzung des Entwicklungskonzeptes  für das Jahr 2021 14,5 Mio. Euro ermittelt und eingestellt.  „Ziel des Konzepts war es, neben der Qualifizierung der Parkflächen auch die denkmalgeschützten Gebäude zu sanieren und langfristig zu erhalten“, so Grün Berlin.

Alles auf Stillstand heißt es aber nun erst einmal. Im Bezirk muss man sich zunächst orientieren. „Dazu gehört auch, dass ich mir in meiner neuen Funktion als Leiterin der Abteilung Ordnung und Öffentlicher Raum gemeinsam mit der BVV, dem neu konstituierten Beirat und meiner Verwaltung derzeit einen Überblick darüber verschaffe, wie der tatsächliche Ist-Zustand der Gebäude bzw. des Areals ist. Jetzt konkrete Pläne vorzulegen, ist nach meiner Einschätzung verfrüht“, sagt die zuständige Stadträtin Manuela Anders-Granitzki auf die Frage nach den Plänen des Bezirks für den Park.

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Klar sei, dass „dieses Kleinod im Bezirk Pankow weiter für die Besucher geöffnet bleiben wird und für die Umweltbildung und die Aktivitäten der anderen Akteure auf dem Gelände eine sichere und möglichst langfristige Perspektive notwendig und auch gewollt ist. Gespräche dazu werden mit den Beteiligten momentan geführt“, so die Stadträtin weiter.

Café ohne Vertrag macht Pause

Und mittendrin hängt Tom Rolleston. Seit Ende des Jahres hat er keinen Vertrag mehr, im Bezirk sei man bemüht, Lösungen zu finden, sagt er. Aber davon kann er kein gutes Personal halten, von anstehenden Investitionen, auf die auch die Lebensmittelaufsicht des Bezirks pocht, ganz zu schweigen. Das Bezirksamt Pankow biete allen Akteuren im Park keine Perspektive, die über sechs Monate  hinausgeht. Das sei der Zeitraum, den sich die neue Bezirksverordnetenversammlung (BVV) gesetzt hat, um über den Park zu entscheiden, so Rolleston. Bei diesem neuen, alten Spiel will Tom Rolleston nicht weitere Monate oder gar Jahre mitspielen.

Scones nach einem Rezept aus seiner britschen Heimat serviert in Pankow nur Tom Rolleston im Café Mint.
Foto: Volkmar Otto
Scones nach einem Rezept aus seiner britschen Heimat serviert in Pankow nur Tom Rolleston im Café Mint.

Und so zieht er nach zehn Jahren die Reißleine und schließt sein Café zum 1. März. Eine Pause will er einlegen, gerade dann, wenn hier eigentlich die Saison beginnt. Er weiß, dass diese Entscheidung auch bedeuten könnte, dass er raus ist. Dass sein voller Herzblut aufgebauter Traum endet, wenn in den Beeten alles zu sprießen beginnt. Tom Rolleston hat sich die Entscheidung nicht leicht gemacht und hofft auf seine Kunden, darauf, dass sie Druck machen auf die Bezirkspolitik, die endlich Entscheidungen treffen muss.

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Alle Beteiligten brauchen eine langfristige Perspektive

Tom Rolleston will sein Café im Botanischen Garten gern erhalten, ob in einem Neubau oder in einem anderen Gebäude. Wichtig sei allerdings eine langfristige Perspektive. Seit klar ist, dass hier im Café gar nichts klar ist, sind seine Kunden entsetzt. Sie kommen und fragen, was sie tun können, um zu helfen. Letzten Sonntag hat er 60 Scones verkauft, im Januar. Schreibt an den Bürgermeister, an die Stadträtin, sagt er seinen Gästen. Und: it was a pleasure to serve all the Scones in the last ten years.

Tom Rolleston (Archivbild) würde gern weiter im Botanischen Garten Pankow Gäste bewirten.
Volkmar Otto
Tom Rolleston (Archivbild) würde gern weiter im Botanischen Garten Pankow Gäste bewirten.

Das Provisorium kommt zum Ende seiner Lebensdauer. Doch mit dem Café könnte es so sein, wie mit vielen Pflanzen. Manchmal braucht es einen beherzten Schnitt, damit sie neu und noch schöner austreiben. Eine Pause, um Kräfte für einen dauerhaften, großen Wurf zu sammeln, das wäre was, findet Rolleston.

„Hinsichtlich der Zusammenarbeit mit der Grün Berlin GmbH haben zwischen dem Bezirksamt und dem Geschäftsführer der Grün Berlin GmbH erste Gespräche stattgefunden", sagt Manuela Anders-Granitzki.  Weitere gemeinsame Verhandlungen seien explizit nicht ausgeschlossen und von beiden Seiten gewünscht. Es klingt so, als bräuchten alle Beteiligten nun das, was auch einen guten Gärtner auszeichnet: Geduld mit den Pflanzen und konstante Beharrlichkeit in der Pflege.