Katharina Hoffmann zeigt ihr Vermittlungsangebot als Personalsachbearbeiterin, das ihr das Jobcenter zusendete.
Katharina Hoffmann zeigt ihr Vermittlungsangebot als Personalsachbearbeiterin, das ihr das Jobcenter zusendete. Foto: Volkmar Otto

Eine blonde Frau mit beiger Latzhose und rot-weiß kariertem Hemd sitzt auf dem Boden. Vor sich hat sie die vielen Seiten eines Hartz-IV-Antrags ausgebreitet. Sie macht vor laufender Kamera ihre Verzweiflung an der Bürokratie breit und bittet Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) um Hilfe. Dieses Video verbreitet sich gerade mit unglaublicher Geschwindigkeit in den sozialen Netzwerken. Der KURIER traf die Berliner Solo-Schauspielerin Katharina Hoffmann (54), die hinter der öffentlichen Botschaft steckt.

„Frau Grütters, ich will Sie jetzt wirklich bitten. Sie haben ja gesagt, das ist alles ganz unbürokratisch und easy. Vielleicht können Sie das für mich ausfüllen“, appelliert Katharina Hoffmann und gestikuliert im Video (135.797 Klicks bei Facebook, mehr als 2000-mal geteilt) wild mit ihren Händen. Als selbstständige Schauspielerin hat sie die Corona-Krise besonders hart getroffen. Zwar gab es von der Bundesregierung auch ein Hilfsprogramm für Solo-Selbstständige, unter die Hoffmann fällt, doch für den Lebensunterhalt bleibt ihnen nur die Grundsicherung. Hierfür sollen sie noch bis zum 30. September einen leichteren Zugang erhalten und können bei der Bundesagentur für Arbeit einen „vereinfachten Antrag“ runterladen. Für diese Zielgruppe gilt ein Verzicht auf Vermögensprüfung und der Status arbeitssuchend entfällt. 

Doch was sich so einfach anhört, hat Katharina Hoffmann an den Rand der Verzweiflung gebracht. „Die Realität sieht leider anders aus und ich habe gemerkt, ich muss das öffentlich machen, sonst ziehe ich mich zurück und resigniere“, sagt sie. Nach dem Antrag habe sie mehrmals Post vom Jobcenter erhalten. „Was die alles wissen wollten“, sagt sie. Gleich dreimal hätten sie nachgefragt, wie teuer ihre Wohnung sei und die Kontoauszüge der letzten sechs Monate angefordert. „Dann fragten sie, wie belastbar ich bin und ob ich mein Warmwasser selbst herstelle. Das stelle ich nicht selbst her, das drehe ich nur auf“, so Hoffmann, die bis vor Corona noch auf der Kleinkunstbühne Scheinbar und im Fernsehen („Soko Wismar“, „Ladies Night“ mit Gerburg Jahnke) zu sehen war.

Sie ärgere sich zudem, dass sie beim Jobcenter nicht auf Augenhöhe behandelt würde. „Da ruft mich eine Mitarbeiterin an, die ich noch nicht einmal zurückrufen kann, da ihre Nummer unterdrückt ist. „Wieso kann die mich anrufen und ich sie nicht? Was sind das für Verhältnisse?“ Zu guter Letzt habe sich noch ein völlig artfremdes Vermittlungsangebot als Personalsachbearbeiterin erhalten, obwohl sie offiziell gar nicht arbeitssuchend sei. Sie habe ihre Sachbearbeiterin mehrfach darauf hingewiesen, aber die habe nur geantwortet, dass sie mitwirken müsse, sonst gebe es keine Leistungen.

Der KURIER erkundigte sich beim Jobcenter: Warum galt die selbstständige Schauspielerin als arbeitssuchend? „Wir können uns zu dem Einzelfall aus datenschutzrechtlichen Gründen  nicht äußern“, teilte ein Sprecher mit. Auch die Kulturstaatsministerin Monika Grütters selbst reagierte nach KURIER-Anfrage promt: „Sie kennt das Video und wird Frau Hoffmann eine ausführliche Mail schreiben“, sagte ihr Pressereferent Jens Wernscheid. 

Sie sei unverschuldet in diese Notlage geraten. Nun sei sie auch noch der Willkür einer Sachbearbeiterin ausgesetzt, so betont Katharina Hoffmann. „Ich kann mir vorstellen, dass viele Menschen denken, ich borge mir lieber etwas, weil ich damit nichts zu tun haben will.“ In ihren Augen sei Hartz IV ein System, das nur auf Misstrauen ausgelegt sei. Weil sie das nun selbst erlebt habe, will sie mit ihrem Video auf diese Umstände aufmerksam machen, um auch für andere bedürftige Menschen bessere Voraussetzungen zu schaffen.  Am 9. August wird sie an einer Demo und Kundgebung vor dem Brandenburger Tor der Kulturschaffenden teilnehmen (bdg-online.org/initiative-kuenstler-hilfe-jetzt) und das Hartz-IV-Thema vor großem Publikum erneut aufgreifen. Sie sagt: „Wir sind Künstler. Wir haben zwar keine Kohle, aber Mittel.“