Lehrermangel, Digitalisierung, schlechte Leistungen der Grundschüler machen den Schulen in Deutschland zu schaffen. Ein Bildungsgipfel will Lösungen suchen. 
Lehrermangel, Digitalisierung, schlechte Leistungen der Grundschüler machen den Schulen in Deutschland zu schaffen. Ein Bildungsgipfel will Lösungen suchen.  Patrick Pleul/dpa

Wenn die Politik zu einem „Gipfel“ lädt, klingt das nach großem Besteck: Hochkarätige Besetzung und wichtige Beschlüsse. Der nun stattfindende „Bildungsgipfel“ wird das wohl nicht erfüllen. 

Dabei wären bahnbrechende Neuerungen und Beschlüsse dringend nötig: die Bildungsmisere in Deutschland ist eklatant. Grundschüler erbringen schwächere Leistungen als Generationen zuvor, allerorten fehlt es an Lehrern. Die Digitalisierung an Schulen läuft schleppend und nebenbei müssen 200.000 Kinder aus der Ukraine in das System, das seit Jahren am Limit läuft, integriert werden. 

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Zeit also für den großen Wurf, der Berliner Bildungsgipfel suggeriert Tatendrang. Doch wenn am Dienstag (14.3.) Vertreter von Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zusammen kommen, sind die Erwartungen im Vorfeld gering. 

In einem gemeinsamen Appell kritisieren 50 Stiftungen, Verbände, Gewerkschaften und Bildungsträger das Treffen als zu unambitioniert. Der Ruf nach Olaf Scholz, der Bildung zur Chefsache machen soll, wird laut. Obwohl sich alle Beteiligten anstrengten, gelinge es immer weniger, Fehlentwicklungen im Schulsystem auszugleichen. 

Die Ampel-Parteien hatten ein Treffen unter diesem Titel bereits in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart. Bei der Konferenz soll es um grundsätzliche Probleme in der Bildungspolitik gehen. Eine „neue Kultur in der Bildungszusammenarbeit“ und eine engere Kooperation zwischen Bund, Ländern und Kommunen wird angestrebt. Denn Verbesserungen im Bildungssystem in Deutschland sind wegen der verschiedenen Zuständigkeiten oft nur mühsam zu erreichen. 

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Bildungssystem in tiefer Krise

Das deutsche Bildungssystem stecke in einer tiefen Krise hatte Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP), die für die Regierung an dem Treffen in Berlin teilnimmt, der „Bild am Sonntag“ gesagt. Bund, Länder und Kommunen müssten endlich an einem Strang ziehen. „Wir müssen uns jetzt zusammenraufen, schließlich geht es um unsere Kinder und ihre Chancen.“ Dass mit den Chancen der Kinder auch die Fachkräfte von morgen und damit die Steuerzahler von übermorgen zur Debatte stehen, versteht sich von selbst. Deutschland kann sich Schulabgänger ohne Abschluss schlicht nicht leisten. 

Unionsländer schicken nur Staatssekretär

Die Herkulesaufgabe wäre etwas für die Chefetage, doch zunächst sieht es nicht nach einem Zusammenraufen aus. Die Kultusminister der SPD-geführten Bundesländer werden beim Bildungsgipfel von Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD) vertreten. Die unionsgeführten Länder schicken nur einen Staatssekretär, der laut Programm auf dem Podium auch nicht mitdiskutieren wird.

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Es sei bedauerlich, dass Kultusminister der Union angesichts der Herausforderungen Terminschwierigkeiten hätten, sagte ein Sprecher des Bundesbildungsministeriums der dpa. „Der Bildungsgipfel ist eine Einladung an alle Beteiligten, die Bildungskrise gemeinsam zu überwinden. Diese Herkulesaufgabe schafft niemand alleine.“

Pferd vom Schwanz aufgezäumt? Showveranstaltung? 

Die Unionsländer hatten vorher abgewunken: Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU) sprach von einer „Showveranstaltung“, die in ihrer Art ungeeignet sei, die Themen anzugehen. „Das Bundesbildungsministerium hätte einen solchen Gipfel professionell vorbereiten müssen“, sagte der Vertreter der Kultusminister der Unionsseite, Hessens Kultusminister Alexander Lorz (CDU), dem Informationsdienst „Table.Media“.

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Erstmal eine Arbeitsgruppe einrichten 

Üblicherweise werden vor Gipfeln bereits Papiere abgestimmt und dann beim eigentlichen Termin nur noch zu Ende verhandelt, so dass anschließend ein Ergebnis verkündet werden kann. Ministerin Stark-Watzinger will nach eigenen Angaben bewusst einen anderen Weg gehen und stattdessen mit dem Gipfel einen Prozess anstoßen: Eine Arbeitsgruppe von Bund, Ländern, Kommunen und Experten soll eingerichtet werden, die Vorschläge für eine bessere Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen zusammentragen soll. Das Bildungsministerium „zäumt das Pferd vom Schwanz auf“, kritisierte Lorz.

Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse im Abgeordnetenhaus in Berlin. Die Senatorin hat keine großen Erwartungen an den Bildungsgipfel.  
Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse im Abgeordnetenhaus in Berlin. Die Senatorin hat keine großen Erwartungen an den Bildungsgipfel.   Imago/Emmanuele Contini

Auch an der Gipfel-Besetzung gibt es Kritik: Es lasse nichts Gutes erahnen, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) der Konferenz fernbleibe, sagte der bildungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thomas Jarzombek (CDU). 

Busse ohne große Erwartung beim Gipfel 

Skeptische Töne kamen aber nicht nur aus der Union. Berlins Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD), turnusgemäß Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK) und beim Gipfel dabei, sagte vorab: „Ich freue mich auf hoffentlich konstruktive Gespräche, aber ich gehe ohne allzu große Erwartungen dorthin, zumal auch keine konkreten Ziele vorher mit der KMK und den Bundesländern besprochen wurden.“

Meidinger kritisiert „Kindergarten“

Deutliche Kritik an allen Akteuren kam vom Chef des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger: „Wenn es weder die Mehrheit der Schulministerien als auch der Bundeskanzler selbst für nötig empfinden, am Bildungsgipfel anwesend zu sein, wenn offensichtlich nicht einmal die Regierungsparteien selbst mit einem abgestimmten Konzept in die Beratungen gehen (...), dann werden die politischen Entscheidungsträger ihrer Verantwortung nicht gerecht“, sagte er. Das Kompetenzgezerre im Vorfeld erinnere mehr an einen Kindergarten als an eine ernsthafte inhaltliche Diskussion.

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Dabei ist der Handlungsdruck groß, weil sich die aktuellen Probleme im System gegenseitig verstärken: Tests hatten einen Leistungsabfall bei Grundschülern gezeigt. Dazu kommen Lernlücken durch eingeschränkten Schulbetrieb in der Corona-Zeit. Mehr Lehrkräfte wären gut, um Defizite abzubauen und zu verhindern, dass daraus später noch mehr Schulabbrecher werden, die dann wiederum als Fachkräfte fehlen.