Krasser Fall von Überreaktion?
Betroffen von Rassismus in der DDR – Museum sagt Künstlerinnen ab, weil sie N-Wort zitieren
Zwei Berlinerinnen mit afrikanischen Vätern sagen in einer Kunst-Performance mit dem Titel „Dunkle Seite der DDR“ das N-Wort. Zuschauer fühlen sich gestört, nun sagt das Museum die Veranstaltung ab. Wie frei darf Kunst sich äußern?

Das Museum der bildenden Künste (MdbK) in Leipzig hat eine für Mittwoch geplante Veranstaltung von zwei Berliner Künstlerinnen abgesagt, weil sie in dem Programm unter anderem das sogenannte N-Wort zitieren.
In dem Programm „Dark Side of the GDR“ (deutsch: „Dunkle Seite der DDR“) schildern die beiden gebürtigen Berlinerinnen Bibiana Malay und Grit Díaz de Arce, die beide afrikanische Väter haben, ihr Aufwachsen mit Rassismus in der DDR. Sie zitieren unter anderem Reime aus einem DDR-Kinderbuch und sprechen dabei das N-Wort aus.
Unter anderem rezitiert Malay ein Gedicht, das sie aus ihrer Kindheit kannte. Darin kommt das N-Wort vor. Dieses Gedicht und dieses Wort, das damals in aller Munde war, hat sie schon als Elfjährige verletzt, wie sie erzählt, sie habe das Gedicht prompt umgeschrieben. Sie erzähle diese Geschichte unter anderem auch, um dazu zu ermutigen, sich gegen die Gleichmut zu wehren und diese Verletzungen zu bearbeiten.
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„Geboren und aufgewachsen in der Hauptstadt der DDR, war das Einzige, was uns von unseren Mitmenschen unterschied, unser fremdländisches Aussehen. Unsere afrikanischen Väter hatten in Ostberlin studiert, um in ihren Heimatländern den Sozialismus aufzubauen“, schreiben die Künstlerinnen in einer Ankündigung des Programms im Berliner Theater Unterm Dach. Auch hier lief die szenische Lesung bereits. „Im Einheitsgrau wurden wir als ‚Mulattin‘ und ‚Zigeunerin‘ wahrgenommen, obwohl wir uns selbst nicht fremd fühlten.“
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Kinder in der DDR mit afrikanischen Vätern
In Liedern, Bildern und Texten erzählen die beiden Künstlerinnen über ihr Aufwachsen in der DDR als Kinder afrikanischer Väter. Dabei lesen sie aus Tagebüchern, Briefen, Stasiakten und anderen authentischen Zeugnissen. So wird der unterschwellige Rassismus in der DDR erfahrbar gemacht, heißt es in der Ankündigung.
In Leipzig warnt ein Hinweis Besucher auf der Website: „Bei der Lesung werden historische Texte, Bilder und Lieder bewusst dokumentarisch und kontextualisiert eingesetzt, auch wenn sie heute nicht mehr vertretbare Aussagen enthalten.“
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Cancel Culture wegen N-Worts
Doch damit nicht genug: Die Performance, die bereits Teil des Rahmenprogramms der Mitte Mai in dem Museum eröffneten Ausstellung „Re-Connect. Kunst und Kampf im Bruderland“ war, hat bei der Eröffnung offenbar Zuschauer aufgebracht. Eine weitere Veranstaltung, geplant für diesen Mittwoch, soll nun verschoben werden, „da die Aufführung einzelner Szenen daraus bei der Ausstellungseröffnung Anwesende offenbar verletzt hat“.
Auch hätten Personen, die am Ausstellungsprojekt beteiligt sind, ihre Mitarbeit aus diesem Grund abgesagt. „Wir nehmen das ernst und bedauern, dass es aufgrund der Aufführung zu Verletzungen gekommen ist“, teilte das Museum mit. Die Veranstaltung soll nachgeholt werden. Zuvor will das Museum aber einen Dialog mit allen Beteiligten führen.
Rassismuserfahrung: Verletzungen aus der Kindheit aufarbeiten
Eine der Künstlerinnen, Bibiana Malay, die als Schauspielerin in Berlin lebt, sagte dem Evangelischen Pressedienst, das zweistündige Programm sei ihre Art, die vielen rassistischen Verletzungen aus der Kindheit aufzuarbeiten: „Das werden wir uns nicht verbieten lassen. Wir können unsere Geschichte nur erzählen, wenn wir die Sachen, die uns passiert sind, auch benennen dürfen.“
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Mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit zu gehen, habe sie viel Kraft gekostet. Sie nicht erzählen zu dürfen, darin sehen sie eine erneute Verletzung, sagen die Künstlerinnen aus Berlin: „Wir fühlen uns abgelehnt und verstehen nicht, warum wir unsere Geschichte nicht erzählen dürfen. Wir zeigen einfach, wie wir als Kinder damit umgegangen und nicht daran zerbrochen sind, sondern uns immer wieder selbst ermächtigt haben. Deswegen ist es eigentlich eine Ermutigungsgeschichte. Ich denke, dass man da Dinge nicht aus dem Kontext reißen darf“, sagte Bibiana Malay im Gespräch mit MDR Kultur.