Kurier im Kiez: Sushi und Pizza für Bedürftige

Bescherung in der Arche: Wie aus einer PR-Veranstaltung doch noch ein guter Nachmittag wurde

Natascha Ochsenknecht überreicht mit Lieferando einen Scheck für die Arche. Über den etwas schalen Geschmack von Charity-Aktionen  

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Natascha Ochsenknecht serviert John (vorn) und Niko Pizza. Jeanette Borchert, die Leiterin der Arche, sagt Danke. 
Natascha Ochsenknecht serviert John (vorn) und Niko Pizza. Jeanette Borchert, die Leiterin der Arche, sagt Danke. Volkmar Otto

Man könnte jetzt einen dieser Artikel schreiben, die gerade zur Weihnachtszeit oft zu lesen sind. Da machen sich Promis und Firmenvertreter gern auf und besuchen soziale Projekte. Sie übergeben Spenden und werden dabei fotografiert. Dann sagen sie, wie wichtig das Spenden ist. Die Beschenkten danken. Das ist dann gut für die Bedürftigen und vielleicht noch ein kleines bisschen besser für die Promis und die Firmen. Nach einer guten Stunde kehrt dann wieder der Alltag ein.

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Beim Ortstermin in der Arche in der Brienzer Straße im Wedding sind an diesem Dienstagnachmittag mehr Erwachsene als Kinder zu sehen. Um die Kinder geht es hier sonst, im Alltag. Nur Niko und John sitzen heute an einer langen, schön geschmückten Tafel, sie sind die einzigen die sich zum Pressetermin hergewagt haben. Die anderen sind entweder krank, auf anderen Weihnachtsfeiern, manche haben vielleicht auch schlicht keine Lust auf den Medienrummel. Kinder spüren genau, wann es wirklich um sie geht.  

Natascha Ochsenknecht auf Tour für Kinder

Natascha Ochsenknecht, selber dreifache Mutter, überbringt nun also in einer orangefarbenen Lieferando-Jacke Pizza und Sushi und einen Scheck. 45.000 Euro haben die Kunden des Lieferdienstes und das Unternehmen gespendet. 10.000 Mahlzeiten könne man damit zubereiten, sagt der Arche-Sprecher. Das klingt viel. 

Doch mittlerweile betreut die Arche an über 30 Standorten in Deutschland 5000 Kinder und Familien. Eine ganze Hilfsmaschinerie läuft da. Das öffentlichkeitswirksame Trommeln und Kooperationen wie die mit Lieferando, gehören zum Geschäft. Auch in Hamburg und in München ist Ochsenknecht schon als Liefer-Fahrerin unterwegs gewesen.

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Nur wer im Gespräch bleibt, der erhält Zuwendung, egal ob in Form von Spendengeldern oder als Einschaltquote. Prominente Unterstützung, wie hier von Natascha Ochsenknecht, erhöht die Sichtbarkeit. Auch dieser Text wäre ohne die Presse-Einladung nicht entstanden. Dabei gebührt den Kindern und den Helfern in der Arche doch auch ohne Promi-Besuch Aufmerksamkeit. 

Lieferando ist Marktführer in einer Branche, die in der Corona Pandemie Rekordumsätze verdiente, als immer mehr Menschen Essen zu Hause bestellten. Fahrerinnen und Fahrer protestierten zuletzt immer wieder für bessere Arbeitsbedingungen und faire Löhne. Ein bisschen Gutes tun steht jedem gut zu Gesicht. 

Lieferando-Geschäftsführerin Katharina Hauke, Arche-Sprecher Paul Höltge und Natascha Ochsenknecht.
Lieferando-Geschäftsführerin Katharina Hauke, Arche-Sprecher Paul Höltge und Natascha Ochsenknecht.Volkmar Otto

Sushi im Scheinwerferlicht

Während Niko und John im Scheinwerferlicht die Pizza und das Sushi in der Hand halten, aber wegen der Fotografen noch nicht abbeißen können, berichtet der Arche-Pressesprecher davon, wie Inflation und Teuerung dem Verein das Leben schwer machen. Die Mittelstandsfamilien, die sonst auch kleinerer Beträge spendeten, brächen weg, sagt Paul Höltge. 

Teurere Lebensmittel, gestiegene Preise für Strom, weniger Spender und mehr Kunden – gleich an drei Ecken brennt es bei der Arche. Waren in der Vergangenheit oft Menschen erst am Ende eines Monats auf Lebensmittelspenden angewiesen, kämen manche nun drei, vier Mal. 

Auch Niko (12) und John (10) kommen regelmäßig.  Als der Fotografentross mit Natascha Ochsenknecht nach draußen zieht, hauen die beiden endlich rein. Das Sushi schmeckt gut, ist das Thunfisch? Roh? Können wir die restlichen Pizzen mitnehmen, fragen die Jungs. Sie wollen noch weiter in ein anderes Jugendzentrum, wo heute Weihnachtsfeier ist. Wie sie denn die Natascha finden, fragt ein Reporter. Nett, sympathisch, was sonst. 

Schade, dass so wenig Kinder da sind

Am Ende sitzt Jeanette Borchert, die Leiterin der Arche im Wedding, fast allein an der Tafel. „Schade, dass heute so wenig Kinder da sind“, sagt eine Mitarbeiterin im Vorbeigehen. Jeanette Borchert kümmert sich schon seit Jahren um die Kinder im Kiez. Erst in ihrer Wohnung, dann im Gemeindezentrum, seit 2009 in Zusammenarbeit mit der Arche. Bis zu 200 Kinder erreichen sie hier. „Wir sind wie eine große Familie“, sagt sie. 

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Jeden Tag komme ein Mittagessen aus der Arche-Zentrale in Hellersdorf. Aber eigentlich gehe es um viel mehr für die Kinder, die auf der großen Tafel im Eingang unterschrieben haben. „Es geht darum, einen Ort zu haben, der verlässlich ist,“ sagt Jeanette Borchert. „Eltern sind nicht immer verlässlich. “

Alischa, Eva, Xenia, Fabio, Mariam, Mikail und noch viel mehr Namen stehen da, jeder mit seiner eigenen Geschichte. Heute haben all die wichtigen Erwachsenen sie von ihrem verlässlichen Ort vertrieben.

John und Niko kommen gern in die Arche im Wedding. 
John und Niko kommen gern in die Arche im Wedding. Volkmar Otto

Es gibt nichts Schlimmeres, als die Zukunft eines Kindes zu zerstören

Natascha Ochsenknecht sagt dann draußen doch noch etwas, das sehr wahr ist. „Es gibt nichts Schlimmeres, als die Zukunft eines Kindes zu zerstören.“ Sei es durch ein Elternhaus, das nicht funktioniert, sei es durch Probleme in der Schule. Sei es durch zu wenig Geld um teilhaben zu können. Wenn die Arche ein Ort ist, an dem Kinder ermutigt werden, an sich und ihre Träume zu glauben, dann kann sie Leben verändern. Jeder Euro, der hilft diesen Ort zu stärken, ist gut ausgegeben.

Als John und Niko längst mit einer Lieferando-Papiertüte verschwunden sind, bleibt dennoch das Gefühl, dass im reichen Deutschland all  die Archen überflüssig sein müssten, wenn Kinder höchste Priorität hätten, oder wenn man von seiner harten Arbeit, als Essens- oder Kurierfahrer etwa, auch gut leben könnte. Übrigens: am 22. 12. ist in der Arche im Wedding Weihnachtsfeier. Wetten, dass dann die Plätze an der langen Tafel alle besetzt sind?