Tatort einer nächtlichen Schießerei mit mehreren Verletzten in der Stresemannstrasse in Kreuzberg: Immer wieder sind auch Clans in die Organisierte Kriminalität verwickelt.
Tatort einer nächtlichen Schießerei mit mehreren Verletzten in der Stresemannstrasse in Kreuzberg: Immer wieder sind auch Clans in die Organisierte Kriminalität verwickelt. Foto: imago

Die Staatsanwälte der Hauptstadt haben im vergangenen Jahr insgesamt 24,5 Millionen Euro bei mutmaßlichen Mitgliedern der Organisierten Kriminalität (OK) eingezogen. Davon sicherten die vier OK-Abteilungen der Behörde in 70 Verfahren Vermögenswerte von mutmaßlichen Kriminellen in Höhe von 1,1 Millionen Euro. Darunter waren zum Beispiel Villen und teure Autos. Hinzu kam die Vermögensabschöpfungsabteilung, die in 39 Verfahren 1,1 Millionen Euro unter anderem auf Bankkonten einfror.

Diese Summen nannte die Leiterin dieser Abteilung am Montag bei einer Pressekonferenz anlässlich der Fertigstellung eines internen OK-Lageberichtes. „Die Summen können stark schwanken, und da können schnell zehn Millionen Euro stehen“, sagte die Abteilungsleiterin. Das hänge davon ab, welche Vermögenswerte man sichere. Bei einer Immobilie sei schnell eine Million erreicht.

Die Sicherungssumme der gesamten Staatsanwaltschaft beläuft sich nach Thoms Worten auf 24,5 Millionen Euro.

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Im gleichen Jahr gab es auch rechtskräftige Einziehungsentscheidungen, die durch die Staatsanwaltschaft noch vollstreckt werden müssen. Sie betreffen insgesamt 3023 Verfahren und Gesamtwerte von 121,6 Millionen Euro. Davon sind die vier OK-Abteilungen mit 5,4 Millionen und die Vermögensabschöpfungsabteilung mit 7,1 Millionen Euro dabei.

Zu den rechtskräftig eingezogenen Werten gehören neben teuren Autos unter anderem auch Immobilien mutmaßlicher Mitglieder eines polizeibekannten arabischen Clans.

Jörg Raupach, Leiter der Staatsanwaltschaft, sagt, Berlin sei Drehscheibe für kriminelle Aktivitäten. Ein großes Thema ist die sogenannte Clankriminalität, die im OK-Phänomen enthalten sei, von der Türsteherszene über Menschenhandel bis hin zum organisierten Drogenhandel. Die Clanaktivitäten sind in den letzten Jahren in den Mittelpunkt gerückt, auch bedingt durch spektakuläre Straftaten wie etwa den Einbruch ins Bode-Museum.

Auch bei Straftaten wie Fahrraddiebstahl oder Wohnungseinbruch gebe es bundesweite Ermittlungsansätze. „Wir müssen uns bundesweit und europaweit vernetzen, um entsprechende Strukturen aufklären zu können.“

Ein neues Phänomen sei der Menschenhandel und die Ausbeutung auf dem Arbeitsmarkt. Menschen würden auf illegalen Wegen hierher gebracht und entweder in die Zwangsprostitution getrieben oder auf dem illegalen Arbeitsmarkt und zu Stundenlöhnen, die teilweise unter zwei Euro liegen, ausgebeutet.

„Die Ermittlungen sind oft langwierig“, sagte Raupach. „Man darf sich nicht der Hoffnung hingeben, dass die Organisierte Kriminalität auf null gefahren werden kann. Das ist ein Bereich, in dem viel Geld verdient werden kann.“ Um als Verfolgungsbehörde auf der Höhe der Zeit zu bleiben, sei eine ausgewogene personelle und technische Ausstattung notwendig.

Norbert Cioma, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei, forderte ebenfalls „eine spürbare Erhöhung der personellen und technischen Kapazitäten, um Beweismittel zeitnah auszuwerten“. Zudem brauche es im OK-Bereich eine bessere internationale Vernetzung und eine Obergrenze für Bargeldzahlungen.

Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) sagte, in den vergangenen fünf Jahren seien 20 Prozent zusätzliche Stellen bei der Staatsanwaltschaft geschaffen worden. Inzwischen gebe es 427 Stellen.

Sebastian Schlüsselburg, rechtspolitischer Sprecher der Linkspartei, bezeichnete die Vermögensabschöpfung als eines der wirksamsten Mittel des Rechtsstaates im Kampf gegen die Organisierte Kriminalität. „Besonders dem hochgradig spekulativen und intransparenten Immobilienmarkt kommt dabei eine wichtige Bedeutung für die Geldwäsche illegal erworbener Vermögen zu.“ Darum sei es wichtig, dass der Bundesrat schnellstmöglich der Berliner Bundesratsinitiative zur Einrichtung eines bundesweiten zentralen Immobilienregisters zustimme.

Marcel Luthe, fraktionsloser Abgeordneter und Spitzenkandidat der Berliner Freien Wähler ist dagegen mit der Bilanz gar nicht zufrieden: „Allein mit Drogen- und Menschenhandel werden jährlich Milliarden erlöst - da sind 24 Millionen alles andere als ein Erfolg“, sagte er. Ziel der Organisierten Kriminalität sei es, unentdeckt das Staatswesen zu unterwandern - und in Berlin gelinge das offenbar hervorragend.