Berlin: Ein Beamter der Bundespolizei zeigt im Ostbahnhof eine Bodycam zur Videoüberwachung. <br><br>
Berlin: Ein Beamter der Bundespolizei zeigt im Ostbahnhof eine Bodycam zur Videoüberwachung.

Foto: dpa

Berlin - Berlins Polizisten sollen ab nächstem Jahr Körperkameras erhalten, sogenannte Bodycams. Ein Pilotprojekt dazu soll am 1. Januar beginnen, dann nach und nach immer mehr Polizeidienststellen damit ausgestattet werden. Das ist einer der wichtigsten Punkte der Neufassung des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG) - kurz: Polizeigesetz -, die die rot-rot-grüne Koalition nach mehr als zweijähriger Arbeit am Montag vorgestellt hat. Andere konfliktreiche Themen wie die Videoüberwachung kriminalitätsbelasteter Orte oder Regelungen zum finalen Rettungsschuss durch Polizisten wurden dagegen ausgeklammert.

Allein die Passage mit den Kameras zeigt, wie kompliziert ein Kompromiss unter Rot-Rot-Grün in diesem Fall gewesen ist. Jeder Polizist mit Bodycam entscheidet selbst, ob er die Kamera in einem Einsatz einschaltet, in bestimmten Fällen „soll“ er es jedoch ausdrücklich tun, wie es in Paragraf 24 heißt. Die Bilder sollen dann jedoch für beide Seiten eines möglichen Konflikts nutzbar sein: Einerseits sollen Polizisten damit beweisen können, dass sie angemessen gehandelt haben. Andererseits sollen Betroffene verlangen können, dass das Video aufgezeichnet wird. „Dieser beidseitige Nutzen war uns wichtig“, sagt Linken-Innenpolitiker Niklas Schrader, zuvor einer der schärfsten Kritiker einer Bodycam.

Ein weiteres Ergebnis ist, dass jetzt auch Berlin als letztes Bundesland der eigenen Polizei eine Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) ermöglicht. Selbst sogenannte IMSI-Catcher, mit denen Standorte von Verdächtigen bestimmt und ihre Telefonate zugleich abgehört werden können, dürfen eingesetzt werden. Ein dicker Brocken für die Grünen. Dennoch spricht deren Innenpolitiker Benedikt Lux von „einem maßvollen Eingriff“ in die Bürgerrechte. Entscheidend sei, dass nur eine individuelle Funkzellenabfrage gestattet ist, aber keine generelle.

Um zu sehen, welche Kompromisse die SPD und auch ihr Innensenator Andreas Geisel eingehen mussten, zeigt ein Blick auf die Dinge, die nicht im neuen Gesetz stehen. So finden sich keine Regelungen zum finalen Rettungsschuss, das gesamte Thema der Videoüberwachung kriminalitätsbelasteter Orte wurde komplett ausgeklammert. Auch mit Rücksicht auf das Landesverfassungsgericht, wie Senator Geisel am Montag sagte. Dort ist immer noch der Antrag auf ein Volksbegehren für mehr Videoüberwachung anhängig, der der ehemalige Neuköllner Bürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) und der ehemalige Innensenator Thomas Heilmann (CDU) eingebracht haben.

Die Neufassung des ASOG, das Polizeirechte und Sicherheit auf der einen Seite und Bürger- und Freiheitsrechte auf der anderen Seite regelt, beschäftigt die Koalition seit ihrem Start im Jahr 2016. Das Abgeordnetenhaus war kaum gewählt, der Senat gerade zehn Tage im Amt, da verübte Anis Amri seinen Terroranschlag auf dem Breitscheidplatz. Geisel und die SPD wollten den Ermittlungsbehörden weitgehendere Befugnisse ermöglichen. Es begann ein langes Ringen um einen rot-rot-grünen Kompromiss. So blieben im Laufe der Jahre etwa Regelungen über elektronische Fußfesseln komplett auf der Strecke. Mit dem Fehlen der Fesseln hat Geisel kein Problem („das hilft im Zweifel sowieso nicht“), schmerzhafter sei der Verzicht auf Formulierungen zum finalen Rettungsschuss. Das hätte noch stärker gezeigt, dass das Land Berlin hinter seiner Polizei stehe.

Die Opposition hält den gesamten Kompromiss für schwach. CDU-Fraktionschef Burkard Dregger spricht von einer „Nullnummer“. So sei etwa die Verkürzung des Unterbindungsgewahrsams von potenziellen Gefährdern von vier auf zwei Tage ein Armutszeugnis, ebenso der Verzicht auf die Schleierfahndung, mit der Berlin bundesweit allein dastehe. Auch die Regeln zur Handy- und zur Videoüberwachung seien zu lasch.

Auch für Marcel Luthe von der FDP löst der Entwurf „keine der bekannten Probleme, schafft aber neue“. Er bemängelt insbesondere das Fehlen einer gesetzlichen Regelung für den finalen Rettungsschuss. Der rot-rot-grüne Senat lade – wie schon der rot-schwarze zuvor – „die Probleme bei den einfachen Streifenpolizisten ab, die in Sekunden eine komplexe Rechtslage beurteilen sollen“.