Vier Tage Gewahrsam zur Gefahrenabwehr

Berlins Polizeipräsidentin will Klima-Kleber wegsperren: „Wir müssen unsere Stadt aus dem Würgegriff dieser Protestaktionen freibekommen“

Seit dem Sommer wurden Einsätze der Feuerwehr in 17 Fällen durch Straßenblockaden von Klimaschutz-Aktivisten

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Klimaschutz-Aktivisten der Gruppe „Letzte Generation“ sitzen an der Ausfahrt Halenseestraße der Stadtautobahn. Mehrere Aktivisten haben sich mit Händen auf der Fahrbahn festgeklebt.
Klimaschutz-Aktivisten der Gruppe „Letzte Generation“ sitzen an der Ausfahrt Halenseestraße der Stadtautobahn. Mehrere Aktivisten haben sich mit Händen auf der Fahrbahn festgeklebt.dpa/Zinken

Sollten die Klima-Kleber, um Straßen-Blockaden zu verhindern, schon vor weiteren Straftaten in einen viertägigen Polizei-Gewahrsam zur Gefahrenabwehr kommen? Diesen Vorschlag macht jetzt Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik.

Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik hat eine „extreme zusätzliche Arbeitsbelastung“ durch die Klimaproteste der Initiative „Letzte Generation“ beklagt. „Die Polizei Berlin arbeitet auf der Straße und im Landeskriminalamt mit allen Mitteln, die uns rechtsstaatlich zur Verfügung stehen, um“, sagte Slowik der Zeitung Welt.

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Seit dem Beginn der Proteste, bei denen sich die Aktivisten immer wieder auf Straßen festkleben, um den Verkehr zu blockieren, seien mehr als 570 Verfahren an die Staatsanwaltschaft übergeben worden, sagte Slowik.

Die Präsidentin forderte unter anderem Möglichkeiten, die Protestierenden länger in Gewahrsam zu nehmen. „Es muss nicht gleich wie in Bayern sein“, betonte Slowik. „Aber Berlin hatte bis 2021 auch vier Tage Gewahrsam zur Gefahrenabwehr vorgesehen. Das würde uns schon helfen. Wir sind das Bundesland mit der kürzesten Gewahrsamsdauer nach Polizeirecht.“

Bundeskanzler Olaf Scholz bezweifelt Wirksamkeit von Präventivhaft

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich dagegen zurückhaltend zu den bayerischen Präventivmaßnahmen gegen Klima-Aktivisten geäußert. „Ob das als Polizeimaßnahme zur Verhinderung weiterer Taten funktioniert, da haben viele große Zweifel“, sagte Scholz am Freitagabend bei einer Diskussionsrunde der „Leipziger Volkszeitung“. Die Polizei dürfe Menschen von Straftaten abhalten. Aber ob es richtig sei, Menschen für mehrere Tage in Präventivgewahrsam zu nehmen, da stellten viele Richter Fragen.

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In München waren Klima-Aktivisten in Präventivhaft genommen worden. Die Möglichkeit dafür bietet das bayerische Polizeiaufgabengesetz. Die bayerische Staatsregierung bezeichnete dies als Akt einer wehrhaften Demokratie.

Der Bundeskanzler kritisierte allerdings auch die Aktionen der Gruppe „Letzte Generation“. „Protest ist legitim, aber ich finde die Aktionsform nicht nachvollziehbar“, sagte Scholz. Es habe aus seiner Sicht nichts mit dem Klima zu tun, Tomaten oder Brei auf Kunstwerke zu werfen.

Die Polizeipräsidentin Barbara Slowik fordert Möglichkeiten, die Protestierenden länger in Gewahrsam zu nehmen.
Die Polizeipräsidentin Barbara Slowik fordert Möglichkeiten, die Protestierenden länger in Gewahrsam zu nehmen.dpa/Zinken

Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) hat den Vorwurf zurückgewiesen, dass von politischer Seite eine Art „Feindbild Klimaaktivist“ aufgebaut werde. Die Senatsinnenverwaltung hatte die Feuerwehr im Sommer aufgefordert, Verzögerungen von Rettungseinsätzen durch Straßenblockaden von Klimaschützern statistisch zu erfassen. Diese Anweisung wurde kritisiert, in einem Zeitungsbericht wurde eine Einsatzkraft zitiert, die von einem „Feindbild“ sprach.

Berlin: Feuerwehr-Einsätze wurden seit Sommer in 17 Fällen durch die„ Letzte Generation“ behindert

Spranger sagte jetzt: „Ich bin Innensenatorin und damit eine der Verantwortlichen für die Sicherheit in Berlin. Es wäre doch fraglich oder vielmehr fatal, wenn ich keinen Überblick über die Sicherheitslage hätte.“ Mit Blick auf die erfassten Zahlen betonte sie am Freitag: „Genau deshalb benötige ich ja eben eine objektive, belastbare Informationsgrundlage, auf deren Basis ich mich mit aller Kraft für die Sicherheit der Menschen in Berlin einsetze. Ich muss wissen und nicht nur vermuten oder meinen.“

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Senat und Feuerwehr hatten vor einigen Tagen mitgeteilt, dass Einsätze der Feuerwehr seit dem Sommer in 17 Fällen durch Straßenblockaden von Klimaschutz-Demonstranten behindert worden seien. Fast immer ging es um ein verspätetes Eintreffen von Krankenwagen, zum Teil auch bei dringenden Nottransporten.

Die Klimaschutz-Gruppe „Letzte Generation“ war im Zusammenhang mit dem Tod einer Radfahrerin scharf kritisiert worden. Die Frau war am 31. Oktober von einem Betonmischer überrollt worden und später gestorben. Ein Spezialfahrzeug der Feuerwehr, das die eingeklemmte Frau befreien sollte, steckte in einem Stau nach einem Klima-Protest.

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Laut Feuerwehr verloren die Rettungskräfte sieben bis neun Minuten. Allerdings hätte auch das Anheben des Betonmischers Zeit gekostet und die Situation des Opfers verschlechtert. Daher wollten die Feuerwehrleute und die Notärztin nicht länger warten und das Opfer unabhängig vom Stau schnell befreien. Der Lkw wurde vom Bein der Frau herunter gefahren. Im Bericht der Feuerwehr hieß es auch, das frühere Eintreffen des Wagens hätte weitere Handlungsmöglichkeiten geboten.