Berlinerin zeigt an Kinderplansche ihre Brüste, bis die Polizei kommt – jetzt landet der „Oben-ohne-Einsatz“ vor Gericht
Gabrielle Lebreton wehrt sich mit einer Klage gegen Diskriminierung und verlangt vom Land Berlin eine angemessene Entschädigung nach dem Antidiskriminierungsgesetz.

Wie nackt darf man in Berlin sein? Dürfen Frauen auch ihren Oberkörper oben ohne in der Öffentlichkeit zeigen, so wie die Männer? Das Thema sorgte im vergangenem Sommer in Berlin für heiße Debatten. Der Grund war Gabrielle Lebreton. Sie hatte sich an der Kinderplansche in Plänterwald oben ohne gesonnt. Das Zeigen der Brüste sorgte für einen Polizeieinsatz. Obwohl Frauen sich jetzt auf diesem Spielplatz mit freiem Oberkörper zeigen dürfen, ist der Vorfall nicht vergeben und vergessen. Die „nackten Brüste“ der Berlinerin haben nun ein juristisches Nachspiel.
Gabrielle Lebreton erinnert sich noch ganz genau an den Vorfall. Wie sie mit freiem Oberkörper auf dem Wasserspielplatz Plansche im Plänterwald saß. Wie sie Sicherheitskräfte aufforderten, ihre Brust zu bedecken oder den Platz zu verlassen. Als sie sich weigert, wird die Polizei gerufen. Die Beamten fordern die Frau ebenfalls mit Nachdruck auf, ein T-Shirt anzuziehen - oder zu gehen. Gut ein Jahr später beschreibt Gabrielle Lebreton die Situation als sehr angespannt. „Ich fand das sehr diskriminierend. Es war unfair“, sagt sie.
Die gebürtige Französin hat an jenem Junitag 2021 die Plansche verlassen. „Ich habe den Ort verlassen, weil ich unter Druck war“, erklärt sie. Abgehakt hat sie den Vorfall danach nicht. An diesem Mittwoch (14. September) beschäftigt sich das Landgericht Berlin mit dem Fall. Denn die 38-Jährige wehrt sich mit einer Klage gegen Diskriminierung und verlangt vom Land Berlin eine angemessene Entschädigung nach dem Antidiskriminierungsgesetz (LADG). Ob die zuständige Zivilkammer 26 noch am selben Tag eine Entscheidung fällen wird, ist nach Angaben von Gerichtssprecher Thomas Heymann offen.
Der Oben-ohne-Einsatz an der Plansche: Gabrielle Lebreton fühlt sich diskriminiert
Berlin hat mit dem Gesetz vor gut zwei Jahren Neuland betreten und hat als einzige Bundesland ein eigenes Antidiskriminierungsgesetz. Andere Länder wollen nachziehen. Das Gesetz soll Menschen vor Diskriminierung seitens der Behörden schützen und Ansprüche auf Schadenersatz gegen das Land Berlin ermöglichen. Bei der zuständigen Ombudsstelle sind nach jüngsten Angaben bislang rund 1000 Beschwerden eingegangen, als berechtigt nach dem LADG eingestuft wurden 700.
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Die Ombudsstelle bei der Senatsjustizverwaltung prüft und sucht zunächst nach Lösungen jenseits von Klagen. Betroffene werden aber auch unterstützt, wenn sie klagen wollen. Der „Oben-ohne“-Fall ist bislang wohl der prominenteste Fall. Auf Empfehlung der Leiterin der Ombudsstelle, Doris Liebscher, hat der Wasserspielplatz Plansche zwischenzeitlich seine Nutzungsordnung ergänzt. Inzwischen heißt es dort: „Die Badebekleidung muss die primären Geschlechtsorgane vollständig bedecken. Dies gilt für alle Geschlechter.“ Die weibliche Brust gilt als sekundäres Geschlechtsorgan.
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Polizei-Einsatz wegen nackter Frauenbrüste: Solche Vorfälle sollen künftig verhindert werden
Liebscher betont jedoch: „Jeder hat das Recht auf eine Entschädigung zu klagen - unabhängig vom Agieren der Ombudsstelle.“ Die Berliner Rechtsanwältin Leonie Thum hält dies im Fall von Gabrielle Lebreton allein schon deswegen für erforderlich, weil bislang nicht „das nötige Verständnis und die nötige Einsicht“ gezeigt worden seien, um solche Vorfälle in Zukunft wirklich zu verhindern.

Die Entschädigung nach dem Antidiskriminierungsgesetz habe Sanktions- und Kompensationscharakter, erklärt die Juristin. „Das bedeutet, zum einen soll die diskriminierende Handlung bestraft werden, um ähnliche Vorkommnisse in Zukunft zu vermeiden“, erklärt sie. Zum anderen solle die Schädigung, die durch die Diskriminierung eingetreten sei, ausgeglichen werden.
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„Mir ist es sehr wichtig, dass diese Diskriminierung als solche anerkannt wird und dass erkannt wird, wie demütigend diese Situation für mich war“, sagt Lebreton. „Das war ein Eingriff auf die Freiheit der Frau.“ Man merkt, wie sehr sie insbesondere das Verhalten der Polizisten bis heute beschäftigt: „Die Polizei hätte mich vor so einer Diskriminierung schützen müssen“, meint sie. Stattdessen seien die Beamten im Beisein ihres fünfjährigen Sohnes aggressiv gewesen, so dass dieser verängstigt gewesen sei und sie gebeten habe, ein T-Shirt anzuziehen. „Ich habe ihm erklärt, das ich das nicht tun werde, weil alle Menschen die gleichen Rechte haben“, berichtet sie.

Ihre Anwältin ist etwas verwundert darüber, welche Aufmerksamkeit der Fall auf sich zieht. „In meiner Wahrnehmung redet seit den 80ern niemand mehr darüber, ob Frauen sich mit unbekleidetem Oberkörper sonnen dürfen, wo männlich gelesene Personen dies dürfen“, sagt Thum. „Ich bin einfach überrascht von diesem massiven konservativen Lashback, der auch Deutschland erreicht hat, und habe enorm wenig Verständnis dafür.“
Im Sommer hatten einige Bäder - etwa im niedersächsischen Göttingen - das Oben-ohne-Baden erlaubt. Wie eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur damals ergeben hatte, befürworten viele Erwachsene, Frauen das Oberteiltragen nicht unbedingt vorzuschreiben. 37 Prozent finden es demnach positiv, wenn etwa im Freibad der klare Dresscode - Frauen müssen Bikini oder Badeanzug tragen, Höschen reicht nicht - aufgehoben wird. Allerdings fanden bundesweit 28 Prozent das das Oben-ohne-Baden von Frauen „nicht gut“.