Komplett zerstört: So sah der Geldautomat nach der Explosion in einer Berliner Postbank-Filiale aus.
Komplett zerstört: So sah der Geldautomat nach der Explosion in einer Berliner Postbank-Filiale aus. Pudwell

Zerstörte Räume, beschädigte Fassaden, Glassplitter auf dem Boden: Nach einer Geldautomatensprengung finden Polizisten oftmals ein Bild der Verwüstung vor. Fast 500 Mal kam es allein im vergangenen Jahr in Deutschland zu solchen Fällen – Tendenz steigend. Die Berliner Volksbank reagiert jetzt: Nachts bleiben ab sofort die Türen der Filialen zu, Kunden (und damit auch Kriminellen) wird der Zugang zu den Automaten verwehrt.

Lesen Sie auch: Shopping fällt heute aus: Kaufhof, Karstadt und Ikea werden bestreikt>>

Wer dringend Bargeld benötigt, muss ab sofort bei der Berliner Volksbank rechtzeitig vor dem Schließen der Türen da sein. Rechtzeitig heißt vor 23 Uhr. Denn zwischen 23 Uhr abends und sechs Uhr morgens werden die Standorte der Bank flächendeckend geschlossen, wie Mathias Paulokat von der Berliner Volksbank bei RBB24 erklärt.

Erst in der vergangenen Woche versuchten zwei Täter, einen Geldautomaten in einer Bank in Berlin-Marienfelde zu sprengen. Sie scheiterten aber und flohen. In einer anderen Bank in Mitte versuchten zwei vermummte Männer, einen Geldautomaten aufzubrechen. Eine Passantin beobachtete das und alarmierte die Polizei.

Nach Explosion: Postbank-Filiale in Berlin-Prenzlauer Berg für immer geschlossen

Laut Bundeskriminalamt werden bei den Sprengungen mittlerweile überwiegend Explosivstoffe statt Gasgemische verwendet, damit seien Täter erfolgreicher. Durch die Taten entsteht somit noch höherer Sachschaden und mehr Gefährdung für Menschen. Noch immer sind viele Geldautomaten in Wohnhäusern aufgestellt.

Kein Bargeld mehr ab 23 Uhr: Die Berliner Volksbank sperrt die Zugänge zu den Geldautomaten in den Filialen nachts ab.
Kein Bargeld mehr ab 23 Uhr: Die Berliner Volksbank sperrt die Zugänge zu den Geldautomaten in den Filialen nachts ab. imago/Olaf Wagner

Einen besonders krassen Fall gab es vor einem halben Jahr in Berlin-Prenzlauer Berg. Dort wurde am 19. September durch die Sprengung von gleich zwei Geldautomaten die ganze Post-Filiale in einem Wohnhaus an der Ecke Prenzlauer Allee/Marienburger Straße zerstört. Der gewaltige Rumms weckte die ganze Nachbarschaft. Die Schäden waren so groß, dass die Deutsche Post die Filiale aufgab. Bis heute stehen die Räume leer.

„Wir können wirklich froh sein, dass in Deutschland bislang kein Mensch dabei ums Leben kam“, sagt Oliver Huth vom Bund Deutscher Kriminalbeamter. „Mittlerweile nehmen die Sprenger Schwarzpulver aus Silvesterknallern und bauen sich damit etwas zusammen. Das kann richtig gefährlich sein.“

Im vergangenen Jahr gab es fast 500 Attacken auf Geldautomaten

Laut Huth versuchen die Täter mit einem ersten Sprengsatz das Gehäuse des Automaten zu zerstören, der zweite Satz wird dann auf den Tresor gelegt, um den Automaten zu öffnen.

Das Bundeskriminalamt (BKA) geht für das vergangene Jahr von einem Höchstwert an gesprengten Geldautomaten aus. Man rechne mit rund 500 versuchten und vollendeten Geldautomatensprengungen in Deutschland. 2022 sind diese Taten in vielen Bundesländern sprunghaft gestiegen im Vergleich zum Jahr zuvor – 2021 waren es noch 392 Taten.

Lesen Sie auch: 140.160 Euro Schaden! Obdachlosenheim wurde zur Betrüger-Werkstatt>>

In Berlin gab es in den vergangenen Jahren fast 100 explosive Attacken auf Geldautomaten. Das geht aus einer Auflistung der Polizei  hervor. Von 2018 bis Anfang März 2023 waren es insgesamt 92 gesprengte Automaten, am meisten davon in den Jahren 2021 und 2022 mit jeweils 26 entsprechenden Taten, teilt die Polizei mit. Davon waren 33 Sprengungen erfolgreich. Im Zusammenhang mit den Automatensprengungen gab es zwölf Festnahmen.

Für wie viele der Taten die zwölf festgenommenen Verdächtigen verantwortlich waren, kann die Polizei nicht sagen. Die Täter seien zum Teil auf frischer Tat gefasst worden. „Es ist anzunehmen, dass sie für weitere Taten verantwortlich sind, ohne dass dies bislang beweiskräftig nachgewiesen werden konnte.“

Hier wurde im September 2021 ein Sparkassen-Geldautomat in Berlin-Altglienicke aufgesprengt.
Hier wurde im September 2021 ein Sparkassen-Geldautomat in Berlin-Altglienicke aufgesprengt. Imago/Olaf Wagner

Laut BKA endeten im vergangenen Jahr nach vorläufigen Zahlen rund 40 Prozent der Fälle erfolglos – also ohne Bargeld. In den fünf Jahren zuvor war dieser Anteil mit jeweils mehr als 50 Prozent noch höher. Für 2022 lagen dem BKA noch keine Zahlen zur erbeuteten Summe vor, man rechne mit einer mittleren zweistelligen Millionensumme.

Viele der mutmaßlichen Täter kommen aus den Niederlanden – laut BKA kamen 2021 etwas mehr als die Hälfte der rund 120 Tatverdächtigen aus dem Nachbarland. Tatverdächtige in den vergangenen Jahren waren demnach auch reisende Täter aus Osteuropa – insbesondere aus Polen, Rumänien und Moldau.

Bei der Bekämpfung der Kriminalität fordert Huth mehr Unterstützung der Niederlande: „Es gibt drei wichtige Tatphasen. Die Vortatphase, die Tatphase und die Nachtatphase. Und die Vortatphase findet nun einmal in den Niederlanden statt.“

Automatensprenger: Viele Täter kommen aus den Niederlanden

Niederländer ermitteln gemeinsam mit Deutschen gegen die Automatensprenger. So etwa im Fall der Bande, die im Februar in den Niederlanden ausgehoben worden war. Sie sollen für etwa 50 Überfälle, vor allem in Bayern und Baden-Württemberg, verantwortlich sein.

Gesprengte Geldautomaten sind vor allem in den zu den Niederlanden angrenzenden Bundesländern NRW und Niedersachsen ein Problem – nach Angaben der beiden Landeskriminalämter waren es im vergangenen Jahr zusammen 250 Taten in den Bundesländern – somit etwa die Hälfte der bundesweiten Fälle.

Während die Zahl der Sprengungen in Deutschland sprunghaft anstieg, ging sie in den Niederlanden deutlich zurück. 2019 waren noch 71 Fälle registriert worden, im vergangenen Jahr waren es nur noch neun. Die Zahl der Automaten wurde im Nachbarland deutlich reduziert.

Lesen Sie auch: Fridays für Future watscht Letzte Generation ab>>

Nach Sprengungen fordern Innen- oder Justizpolitiker immer wieder verstärkte Schutzvorkehrungen von den Banken. Dabei geht es etwa um mehr Videoüberwachung oder Systeme, womit das Bargeld eingefärbt oder verklebt wird und somit unbrauchbar ist.

Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) sagt, die deutsche Bankenwirtschaft habe sich gegenüber der Bundesinnenministerin zu einer Reihe von Maßnahmen verpflichtet. Im Juni soll es auf Bundesebene weitere Gespräche mit den Banken geben.

Lesen Sie auch: Polizei-Ticker Berlin! Mann will Handy auf Revier laden: Knast! +++ Brutaler Tanzbar-Überfall +++>>

Huth fordert die Politik und Banken zu einem entschiedeneren Eingreifen auf. „Man kann Banken nicht vorwerfen, sie hätten nichts gemacht, aber sie machen nicht genug. Wie viele Geldautomaten haben wir noch in Wohnhäusern stehen? Das kann ich nicht nachvollziehen.“

Ein Sprecher der Deutschen Kreditwirtschaft, zu dem eigenen Angaben zufolge alle fünf großen deutschen Bankenverbände gehören, weist die Kritik zurück. Banken setzten für ihre Geldautomaten Sicherungskonzepte ein, die durch verschiedene Maßnahmen auf eine höchstmögliche Prävention zielten.

In anderen Ländern gibt es laut Huth strengere gesetzliche Vorgaben. In Portugal seien etwa Geldautomatenbetreiber bereits seit 2003 verpflichtet, bei Geldautomaten technische Mindestanforderungen umzusetzen. Die Inbetriebnahme eines Automaten müsse bei der Polizei angezeigt werden.