Wer renovieren will, braucht starke Nerven: Berliner müssen über zehn Wochen auf einen Handwerker warten!
Vom Maler über den Sanitärfachmann bis zum Elektriker: Ihre Auftragsbücher sind voll. Aber auch Materialengpässe und zu wenige Azubis sorgen dafür, dass es keine schnellen Termine gibt.

Wer ein neues Bad oder seine Wohnung renovieren will, braucht jetzt starke Nerven: Denn in Berlin und Brandenburg muss man derzeit im Schnitt zehn Wochen darauf warten, bis ein Handwerker kommt.
„Die Auftragsbücher sind voll“, sagt Daniel Jander, Sprecher der Berliner Handwerkskammer. Aber nicht nur das sorgt für lange Wartezeiten. Es gebe wegen der Corona-Pandemie Engpässe bei den Materiallieferungen. Dazu hätten viele der insgesamt 30.800 Berliner Handwerksfirmen ein Nachwuchsproblem. Auszubildende zu finden, sei schwer.
Zunächst klingt die Nachricht erfreulich. Die vollen Auftragsbücher der Berliner Handwerker allein aus dem Baugewerbe sichern ihnen Arbeit für elf Wochen, so die Handwerkskammer. „Das gewährt den Betrieben im Moment eine Auslastung ihrer Produktionskapazitäten von knapp 84 Prozent“, sagt Sprecher Jander.

Handwerksbetriebe bitten Kunden, Arbeiten frühzeitig zu planen
Für die Kunden, die nun größere Projekte wie Terrassenbau oder einen Badneubau planen, bedeutet dies, dass sie so schnell keinen Termin bekommen werden. Aktuelle Zahlen über die Dauer gibt es nicht. Laut einer Umfrage der Handwerkskammer lagen bei den Berliner Handwerksbetrieben aus dem Baubereich die Wartezeiten im Frühjahr zwischen 9,4 und 13,4 Wochen. „Daher bitten die Unternehmen ihre Kunden, schon jetzt frühzeitig mit ihren Planungen zu beginnen, damit es auch mit dem Wunschtermin klappt“, so Jander. Etwa, wenn sie zu Weihnachten ein neues Bad haben wollen.

Ein Grund, warum das Handwerk auch zu Corona-Zeiten boomt: „Viele Menschen geben ihr Geld für die Modernisierung ihrer Häuser oder Wohnungen aus, weil sie es wegen der niedrigen Zinsen kaum gewinnbringend anlegen können“, sagt Carsten Joschko, Obermeister der Berliner Elektro-Innung. Auch in seiner Branche müssten Neukunden lange auf Termine warten. Denn die Elektro-Unternehmen sind auch beim Bau von neuen Wohnungsgroßbauprojekten in der Hauptstadt sehr gefragt. „Allerdings sind unsere Kundendienste bei Störungen oder in Notfällen kurzfristig schnell zur Stelle“, sagt Joschko.

Ähnlich ist es bei den Sanitär- und Heizungsbetrieben. Aber: „Wer jetzt größere Arbeiten plant, sollte rechtzeitig damit beginnen“, sagt Andreas Koch-Martin, Geschäftsführer der Sanitär-Heizung-Klima-Innung. Denn auch seine Branche ist vor allem durch Bauprojekte gut ausgelastet. „Im Schnitt beträgt die Wartezeit zehn Wochen“, sagt Koch-Martin.
Berliner nutzen Homeoffice, um Arbeiten in ihrer Wohnung machen zu lassen
Dazu kommt, dass auch Corona-Pandemie den Handwerker noch mehr Privat-Aufträge zuspielte als sonst. „So manche Berliner, die im Homeoffice sind, nutzen die Gelegenheit, während ihrer Heimarbeit auch Sanitär- oder Heizungsarbeiten in den Wohnungen durchführen zu lassen“, sagt der Innungs-Chef.

Was die Wartezeiten zusätzlich verlängert, sind Materialprobleme. „Nicht nur Holz ist derzeit knapp und teurer, sondern alles, was man braucht, um ein Haus zu bauen oder zu renovieren und vieles mehr“, sagt Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer. „Auch elektronische Teile für unsere Elektroniker und Kabel und all das fehlt. Das macht unseren Betrieben in diesen Bereichen im Moment ganz schwer zu schaffen.“

Die Preise für Materialien hätten sich in den vergangenen Monaten sprunghaft erhöht. „Ein ganz normaler Schaltkreis, der sonst für 30 Cent zu haben war, kostet nun drei Euro“, sagt Carsten Joschko von der Elektro-Innung. Er glaube nicht daran, dass Rohstoff- und Materialknappheit und die damit verbundenen Lieferengpässe nur mit der Corona-Pandemie und deren Auswirkung auf dem Weltmarkt zu bergründen seien. „Da wird vermutlich auch zusätzlich kräftig an der Preisschraube gedreht“, so Joschko.
Handwerksfirmen: Nicht nur Material ist knapp, es fehlen auch Lehrlinge
Ein weiteres Problem, das für lange Wartezeiten bei den Handwerksbetrieben sorgt, ist ein recht altes. Es fehlt an neuen Arbeitskräften. Auch wenn die Unternehmen Löhne erhöhen und mit guten Ausbildungsbedingungen werben: „Es reicht offenbar nicht, junge Menschen zu überzeugen, einen Handwerksberuf zu ergreifen“, sagt Joschko.
Für Schulabgänger sei so ein Job nicht attraktiv genug, viele beginnen nach dem Abitur lieber ein Studium. „Dabei werden Leute mit guten technischen und naturwissenschaftlichen Fähigkeiten gebraucht“, sagt Koch-Martin von der Sanitär-Innung. „Gerade jetzt, wo viel über den Klimawandel gesprochen wird, wofür einst viele junge Menschen demonstrierten. Doch es muss auch Leute geben, die dies in der Praxis umsetzen.“

Mit viel moderner Technik werde in der Sanitär-und-Heizungs-Branche dafür gesorgt, das Anlagen umweltfreundlicher werden. „Allerdings muss auch einmal eine Kloschüssel zu einer Wohnung in den vierten Stock getragen werden. Da springt schon so mancher ab“, sagt Koch-Martin.
Manchmal muss man auch einmal eine Kloschüssel in den vierten Stock tragen. Da springt schon so mancher ab.
Andreas Koch-Martin, Geschäftsführer der Sanitär-Heizung-Klima-Innung
Dabei wurden in den Firmen seiner Innung etwa 400 Ausbildungsverträge abgeschlossen. „Das sind mehr als im Baugewerbe“, sagt Koch-Martin. „Aber wir haben auch mit etwa 40 Prozent eine hohe Abbrecherquote. Eine interne Umfrage unter den Azubis ergab, dass nur 20 Prozent in diesem Handwerk ihren Wunschberuf sahen.“

Auch Carsten Joschko von der Elektro-Innung klagt über Nachwuchs-Probleme. „Etwa 150 Ausbildungsverträge wurden jetzt bei uns abgeschlossen, 230 waren es noch im Vorjahr“, sagt er. „Dass zu wenige Schulabgänger zu den Handwerkbetrieben kommen, liegt auch daran, dass coronabedingt in diesem Jahr viele geplante Werbeveranstaltungen und Ausbildungsmessen in Berlin ausfielen.“