Vor diesem Graffito am Bait-Tarkib-Kunstzentrum in der Abu-Nawas-Straße im Stadtteil Abu Nawas wurde die deutsche Kuratorin Hella Mewis von bewaffneten Männern entführt.
Vor diesem Graffito am Bait-Tarkib-Kunstzentrum in der Abu-Nawas-Straße im Stadtteil Abu Nawas wurde die deutsche Kuratorin Hella Mewis von bewaffneten Männern entführt. Foto: Ameer Al Mohammedaw/dpa

Mehrere bewaffnete Männer haben am Montagabend in der irakischen Hauptstadt Bagdad die Berliner Kuratorin und Kulturvermittlerin Hella Mewis entführt. Das bestätigte das irakische Innenministerium am Dienstag. Irakische Sicherheitskräfte suchen seit Montag nach der Frau. Sie werden dabei unterstützt von deutschen Fachleuten, die im Irak ihren Dienst versehen. Die deutsche Botschaft in Bagdad äußerte sich am Dienstag zu dem Vorfall nicht. In Sicherheitskreisen heißt es allerdings, dass die Zahl der Entführungen von Ausländern im Irak in den vergangenen Monaten stark zugenommen haben.

Mewis wurde in Berlin geboren und lebt seit zehn Jahren in Bagdad.  Sie leitet dort ein Kunstprogramm, das die Arbeit junger irakischer Künstler fördern will. Es heißt „Bait Tarkib“, übersetzt als „Haus der Installation“. Das Programm wurde 2015 gegründet. Die Kulturvermittlerin Hella Mewis gilt als das lachende Gesicht der kulturellen Wiederbelebung Bagdads, kam 2010 zunächst über das Goethe-Institut in die irakische Hauptstadt. Wenig später kehrte sie auf eigene Initiative von Berlin zurück nach Bagdad und arbeitete dort am Aufbau des Kulturzentrums Bait Tarkib.

Polizisten sollen die Entführung beobachtet haben. Sie griffen jedoch nicht ein.

Hella Mewis hatte am Montagabend gegen 20 Uhr Ortszeit ihr Büro im zentral gelegenen Stadtteil Abu Nawas unweit des Tigris verlassen und wollte auf ihrem Fahrrad nach Hause fahren. Dort befinden sich auch mehrere Regierungsgebäude. Während die Frau auf dem Rad unterwegs war, näherten sich ihr zwei Fahrzeuge. Sie hielten vor der Frau, berichten Zeugen. Dann wurde sie überwältigt und in eines der Fahrzeuge verschleppt. Polizisten sollen die Entführung beobachtet haben. Sie griffen jedoch nicht ein.

„Wir wissen nicht, wer sie entführt hat“, sagte ihre Freundin, die Aktivistin Sirka Sarsam von der Nichtregierungsorganisation Burj Babel. Derzeit würden Aufzeichnungen von Überwachungskameras untersucht, so die Aktivistin. „Hellas Entführung ist ein menschliches Desaster“, sagt Sarsam. „Ich habe vor einer Woche mit ihr telefoniert.“ Mewis habe gute Beziehungen zu Künstlern, Intellektuellen und Demonstranten im Irak und habe dort seit 2010 zu vielen Veranstaltungen beigetragen. Die Deutsche sei empört gewesen über die Tötung des international anerkannten Historikers und Terrorismusexperten Hischam al-Haschimi vor zwei Wochen.

Al-Haschimi war in der Nähe seiner Wohnung erschossen worden. Zunächst bekannte sich niemand zu der Tat. Er galt als einer der besten Kenner extremistischer Gruppen im Irak. In den irakischen Medien richtete sich der Verdacht vor allem gegen die Iran-treue schiitische Miliz Kataib Hisbollah und die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Ein Bekenntnis zur Ermordung gab es bisher nicht.

Der in Deutschland lebende irakische Schriftsteller Najem Wali beschrieb Mewis gegenüber dem Magazin Spiegel im Jahr 2017 als Frau, die entgegen irakischer Konventionen in Cafés geht, ihr Haar offen trägt und nur selten zum Kopftuch greift. An der Uferstraße am Tigris habe sie 2016 eine Fahrrad-Demonstration für Frauen organisiert. Mewis habe Kontakte in  die Politik und sei gut vernetzt, so der Autor.