Berliner Hauptbahnhof am Limit: Bund hat den Flüchtlingsstrom stark unterschätzt
Täglich kommen 10 000 Menschen aus der Ukraine an. Die Belastungsgrenze ist erreicht.

Der Berliner Hauptbahnhof ist die Haltestelle der Hoffnung und zugleich verstopftes Nadelöhr für Tausende Flüchtlinge. Berlins größte Halle stößt an ihre Grenzen. Besonders abends wird es eng. Wenn die Verteilung der Menschen nicht wie am Tage noch halbwegs funktioniert, müssen Geflüchtete in Zügen im Bahnhof übernachten. In einer Nacht waren dort 2600 Frauen, Kinder und alte Leute untergebracht, schreibt B.Z. Das sei hart an der Grenze dessen, was man verantworten könne, sagte Berlins DB-Konzernbevollmächtigter Alexander Kaczmarek (59) dem Blatt.
Grund für die angespannte Situation am Berliner Hauptbahnhof ist der stark unterschätze, anhaltende Zustrom von Flüchtenden. Die Berliner Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) hat jüngst die Bundesregierung kritisiert, den Zustrom von Flüchtenden aus der Ukraine stark unterschätzt zu haben. „Die Schnelligkeit der Flüchtlingsbewegung wurde auf Bundesebene komplett unterschätzt“, sagte Kipping dem „Tagesspiegel“ vom Mittwoch. Sie habe den Eindruck, dass die Brisanz der Zahlen in den Bundesministerien „nicht in dem Maß“ angekommen sei.

Berliner haben gut reagiert
Das liege auch daran, dass Berlin sehr gut reagiert habe. „Bei allen Problemen, es gab keine Bilder von langen Schlangen wie 2015“, sagte Kipping der Tageszeitung. Das habe offenbar die Erkenntnis bei vielen verzögert, was in Berlin geleistet werde. Vor allem Ehrenamtliche Helfer hatten sich gleich in den ersten Tagen der Mammutaufgabe gestellt und zunehmend lauter auch nach Hilfe des Landes Berlin gerufen. Erst nach Tagen wurde etwa die Versorgung der Ankommenden mit Lebensmitteln und der Aufbau eines Zeltes von Senat bewerkstelligt.
Auch Polen ist am Limit, mehr Züge kommen nach Berlin
Die Linken-Politikerin warnte gleichzeitig vor einer stark steigenden Zahl von Geflüchteten. Polen schicke jetzt deutlich mehr Züge nach Berlin, weil das Land auch an seine Belastungsgrenze gekommen sei. „Wir müssen uns deshalb auf sprunghafte Anstiege der Ankunftszahlen einstellen“, sagte die Senatorin.
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Den Berliner Hauptbahnhof sieht sie angesichts der hohen Zahl ankommender Geflüchteter aus der Ukraine bereits an der Belastungsgrenze. Die Zahl der Menschen dort sei schon mehrfach an einer „kritischen Grenze“ gewesen. Es kämen derzeit rund zehntausend Menschen täglich an. Die große Aufgabe sei es, beständig für Entzerrung zu sorgen. Wenn zu viele Menschen dicht gedrängt beieinander stünden, könne jederzeit „ein Sicherheitsrisiko“ entstehen.
900 Plätze für Menschen in Tegel
Die Hauptstadt stockt gerade ihre Schlafplatzkapazitäten zur Unterbringung der geflüchteten Menschen massiv auf. So wurde im ehemaligen Flughafen Tegel am Wochenende eine Notunterkunft in Betrieb genommen. Wie das Deutsche Rote Kreuz und das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe am Mittwoch gemeinsam mitteilten, gibt es dort aktuell Plätze für 900 Menschen. Dafür stellten die beiden Einrichtungen speziell für Notlagen konzipierte temporäre Unterkunfts- und Betreuungsmodule zur Verfügung. Ein Großteil der Ankommenden hat aber auch Unterkunft bei Berlinern, in Gemeinden und bei Bekannten gefunden.
Entscheidend aber sei die bundesweite Verteilung der Leute und der schnelle Abfluss aus dem Hauptbahnhof, damit es zu keinen Überlastungs-Situationen kommt, die nicht mehr tragbar sind“, sagte Berlins Regierende Franziska Giffey. Aus anderen Bundesländern werden aber noch zu wenig Kapazitäten gemeldet. Während am vergangenen Wochenende in Berlin rund 20.000 ukrainische Kriegsflüchtlinge angekommen sind, wurden nur 3000 mit Bussen in andere Bundesländer verteilt.
Um die Sitution am Hauptbahnhof zu verbessern wäre eine Abfertigung der Züge aus Polen an anderen Berliner Bahnhöfen besser. Etwa am Ostbahnhof, Lichtenberg oder Gesundbrunnen wäre mehr Platz. Problem: alles an Helferstruktur hat sich am Hauptbahnhof konzentriert.