Vor der großen Kanzler-Runde
Berliner Amtsärztin warnt vor zu schnellen Lockdown-Lockerungen
Gudrun Widders leitet das Spandauer Gesundheitsamt. Es wäre ein Fehler, sofort alle Bereiche des öffentlichen Lebens zu öffnen, sagt sie. Auch Reisen hält sie nicht für ratsam.

Die Sehnsucht nach Lockerungen ist groß. Daher erwarten auch die Berliner entsprechende Maßnahmen vom Senat und von der Runde der Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin an diesem Mittwoch. Doch für Experten wie Spandaus Amtsärztin Gudrun Widders kommt ein rasches Ende des Lockdowns derzeit nicht infrage. „Lockerungen ja, aber es muss dabei behutsam vorgegangen werden“, sagt sie. „Es wäre ein Fehler, sofort wieder alle Bereiche des öffentlichen Lebens zu öffnen.“ Man dürfe die positiven Ergebnisse des jetzigen Lockdowns nicht leichtfertig aufs Spiel setzen, warnt die Amtsärztin im Gespräch mit dem KURIER.
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Dazu gehört laut Widders auch der Rückgang der Infektionszahlen. Die Amtsärztin erklärt dies am Beispiel ihres Bezirkes. Mit fast über 300 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern innerhalb einer Woche gehörte Spandau noch im November und Dezember 2020 zu den Berliner Stadtteilen mit den höchsten Inzidenzwerten. „Durch den Lockdown sind die Werte zurückgegangen. Spandau weist derzeit eine Durchschnittsinzidenz von 60 aus“, so Widders. Damit sei man aber noch längst nicht am Ziel. Vor allem, weil keiner durch das Auftreten von Mutationen des Coronavirus sagen kann, „in welche Richtung sich die Fallzahlen künftig weiter entwickeln werden“. Es bestehe weiter das Risiko, dass sich die Werte wieder nach oben bewegen.
Widders verstehe die Menschen, die sich jetzt nach schnellen Lockerungsmaßnahmen sehnen. „Die Situation ist in der Tat zermürbend, wenn große Teile des Lebens brach liegen“, sagt die Amtsärztin. Daher seien auch „gravierende Lockerungen wichtig“. „Über sie sollte aber in Abhängigkeit von Fallzahlen, den betroffenen Altersgruppen und den aktuellen Belastungen der Kliniken entschieden werden.“
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Schulen und kleine Läden sollten zuerst öffnen
Zu den wichtigeren Lockerungen gehöre die Öffnung der Schulen. „In kleinen Gruppen sollte der Unterricht wieder möglich sein“, sagt Widders. „Allerdings müssten Lehrer und Erzieher vorher geimpft werden.“ Ebenso wäre es zu überlegen, Freizeit- und Sportaktivitäten zuzulassen – allerdings im Freien, rät die Amtsärztin. Unter Einhaltung und Abstands- und Hygiene-Regeln könnten auch kleine Läden wie Mode- oder Blumengeschäfte wieder aufmachen. Auf Grund der noch zu hohen Inzidenzwerte rät die Amtsärztin von einem raschen Öffnen der Einkaufzentren ab.

Auch beim Thema Urlaub solle mit Vorsicht entschieden werden. „Das Reisen sehe ich sehr kritisch“, sagt Widders. „Wir dürfen nicht die Fehler aus dem vergangenen Jahr wiederholen. Nach dem ersten Lockdown lebten die Menschen ihre wiedergewonnen Freiheiten aus, wurden unvorsichtig, reisten in Risikogebiete.“ Trotz anschließender Tests und Quarantäne-Maßnahmen bei der Rückkehr seien die Fallzahlen im Herbst wieder angestiegen, was unter anderem zu dem jetzigen Lockdown führte. Es nütze niemandem, wenn durch zu rasche Öffnungen des öffentlichen Lebens das Land von einem Lockdown in den nächsten käme, so die Amtsärztin.
Erst mit dem Voranschreiten der Impfungen gegen Corona wären größere Lockerungen möglich. Dafür müsste bereits ein Großteil der Bevölkerung eine Immunität gegen das Virus vorweisen. Das dürfte allerdings erst weit nach dem Sommer der Fall sein, glaubt Widders. Auch Schnelltests für alle könnten zu mehr Lockerungen beitragen, wenn diese qualitativ gut und für jeden richtig anwendbar seien, erklärt die Amtsärztin. „Sie müssen vor allem sichere Ergebnisse liefern. Denn wir alle werden auch noch im kommendem Jahr mit Corona leben müssen, davon gehe ich aus.“