Lange Wartezeiten bei der Terminvergabe und in den Praxen könnte Kassenpatienten drohen, die einen neuen Arzt brauchen. (Symbolfoto)
Lange Wartezeiten bei der Terminvergabe und in den Praxen könnte Kassenpatienten drohen, die einen neuen Arzt brauchen. (Symbolfoto) Imago/Shotshop

Berliner Kassenpatienten hatten es schon schwer genug. Lange mussten sie auf einen Arzttermin warten. Und in einer neuen Praxis aufgenommen zu werden, war in der Vergangenheit fast unmöglich. Jetzt könnte dies wieder Alltag werden, befürchtet die Kassenärztliche Vereinigung Berlin (KV). Daher wollen die Ärzte „streiken“. Die KV hat für den heutigen 7. September zu einem Protesttag aufgerufen. Viele der rund 2700 Arztpraxen in der Stadt bleiben geschlossen.

Der Anruf vom Arzt kam vergangenen Woche: wir müssen Ihren Termin am 7.Septeber leider absagen. Wir streiken, hieß es. So ging es vielen Berlinern.

Zahlreiche niedergelassene Ärzte nehmen an der Protestaktion teil.  An dem Tag nehmen sie an einer „Fortbildungsveranstaltung“ der KV zu den Plänen des Bundes teil. Denn der Ärzte-Protest richtet sich gegen die neuen Vergütungsregelungen des Bundesgesundheitsministeriums. 2023 sollen nach dem Willen des Gesundheitsministers Karl Lauterbach (SPD) die Krankenkassenbeiträge auf ein Rekordniveau steigen. Gleichzeitig soll es weniger Leistungen für Kassenpatienten geben.

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Die Kassenärztliche Vereinigung Berlin hat zu dem Protest aufgerufen.
Die Kassenärztliche Vereinigung Berlin hat zu dem Protest aufgerufen. Berliner KURIER/Markus Wächter

Dahinter verbirgt sich vor allem die sogenannte Neupatienten-Regelung. 2019 wurde sie vom damaligen Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) eingeführt worden. Damit Kassenpatienten, die sich in einer neuen Praxis anmelden, schneller einen Termin bekommen und auch neben der „Stammkundschaft“ bei einem Mediziner aufgenommen werden können, bekommen Kassenärzte eine zusätzliche Vergütung. Diese will nun Lauterbach aufgrund der gestiegenen Kosten im Gesundheitswesen während der Corona-Krise wieder streichen.

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KV Berlin: Streichung der Neupatientenregel ist eine sehr bittere Stunde

„Wir erleben gerade eine sehr bittere Stunde. „Mit dieser Entscheidung wird nicht nur die Arbeit der niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen mit Füßen getreten, sondern es wird auch die Gefährdung der Gesundheitsversorgung in Kauf genommen“, erklärt der Berliner KV-Vorstand.

Die Kassenärzte würden nicht mehr Geld fordern, stellt der Berliner Kinder- und Jugendarzt Jakob Maske klar. Andererseits könne die Arbeit auch nicht geringer bezahlt werden als in der Vergangenheit. „Ich kenne keine Berufsgruppe, die akzeptiert, dass ihre Gehälter geschrumpft werden. Wir fordern nur, dass das, was wir bekommen, gleichbleibt. Kinder und Jugendliche, Patientinnen und Patienten, die ärztliche Hilfe brauchen, müssen sie auch schnell bekommen und nicht erst nach Wochen.“

Laut der Kassenärzte hätte sich die  Neupatientenregelung  „als ein wichtiges Instrument“ in den Praxen bewährt. „Selbst der heutige Bundesgesundheitsminister bewertete die Regelung als wichtig, nannte sie 2019 sogar einen Schritt weg von der Zwei-Klassen-Medizin. Wenn seine damalige Aussage richtig war, dann ist dies eine Rolle rückwärts hin zu einer Zwei-Klassen-Medizin“, so die KV Berlin.

Sollte es zur angekündigten Streichung der Neupatientenregelung kommen, hätte dies aus Sicht der KV Berlin massive Auswirkungen. „Die medizinische Versorgung gerade der Neupatienten wäre dann nur noch eingeschränkt möglich.“ Die Folge laut KV: Die Neupatienten müssten wieder länger auf Termine warten. Und die Suche nach einer neuen Praxis wird sich deutlich schwieriger gestalten.

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Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will die Neupatientenregelung kippen.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will die Neupatientenregelung kippen. Imago/Bernd Elmenthaler

„Während man den Patienten die Verschlechterung der medizinischen Versorgung zumutet, würde ein solcher Schritt zudem mit einem massiven Vertrauensverlust und einer erheblichen Frustration seitens der niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen einhergehen“, heißt es seitens des Vorstands und der Vertreterversammlung der KV Berlin.

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Ärzte-Streik in Berlin: Für Akutfälle sind Vertretungen geplant

Der Vorstand kritisiert weiter: „Wenn die ambulante Versorgung gebraucht wird, wie zuletzt massiv in der Corona-Pandemie, dann sind wir gut genug, aber auf der anderen Seite spielen die Leistungen der niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen eine untergeordnete Rolle.“

Um sich gegen die Pläne des Gesundheitsministeriums zu wehren, will die KV Berlin jetzt ein deutliches Zeichen setzen. Da man aus rechtlichen Gründen nicht zu einem Streik aufrufen könne, habe man sich zu diesem Protesttag entschlossen, an dem die Praxen aufgrund einer „Fortbildungsmaßnahme“ schließen können.

Die  Ärzte seien aufgerufen, für Akutfälle eine Vertretung zu organisieren, hieß es weiter. Darüber hinaus werde der ärztliche Bereitschaftsdienst der KV Berlin am 7. September seine Kapazitäten erhöhen. Außerdem öffnen den Angaben zufolge acht der elf KV-Notdienstpraxen an dem Tag außer der Reihe, um Patienten zu versorgen.