Seit 22 Jahren verschollen

Mord ohne Leiche: Wird die Rentnerin Irma Kurowski jemals gefunden?

2001 verschwand die Berliner Seniorin spurlos. Die Polizei wurde erst Jahre später durch einen Rentner-Mord auf den Fall aufmerksam. Eine Ermittlerin hofft nun auf neue Hinweise durch eine TV-Serie.

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Mit solchen Plakaten suchte 2017 die Berliner Polizei nach Irina Kurowski.
Mit solchen Plakaten suchte 2017 die Berliner Polizei nach Irina Kurowski.Monika Skolimowska/dpa

Irma Kurowski würde bald 100 werden, wenn sie noch lebte. Doch davon geht die Berliner Polizei längst nicht mehr aus. Die Ermittler vermuten, dass die Rentnerin aus Prenzlauer Berg, die seit 22 Jahren als vermisst gilt, ermordet wurde. Allerdings wurde ihre Leiche bis heute nicht gefunden. Dagegen glaubt man, ihren mutmaßlichen Mörder bereits zu haben. Josef S., ein Trödelhändler aus Prenzlauer Berg, der wegen eines anderen spektakulären Rentner-Mordes zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt wurde und im Gefängnis sitzt. Doch der Mann schweigt. Nun hofft die Polizei mittels einer neuen True-Crime-Serie im Fernsehen den Fall Irma Kurowski für immer aufklären zu können.

Am 1. September startet in der ZDF-Mediathek die neue Reihe „Schuld & Sühne mit Paulina Krasa“, die ab dem 15. September (20.15 Uhr) auch auf ZDFinfo gezeigt wird. In dieser ersten Folge mit dem Titel „Der vergessene Rentner“ geht es um den Mord an den 80-jährigen Heinz N. aus Prenzlauer Berg, der Anfang 2017 in Berlin für Aufsehen sorgt und die erste Spur zum Vermissten- und möglichen Mordfall Kurowski legt.

Rückblende: 2006 verschwindet plötzlich Heinz N. aus seinem Kiez, der nach dem Tod seiner Frau allein in einer Wohnung in der  Hosemannstraße lebt. Niemand scheint den Mann in den folgenden zehn Jahren zu vermissen. Nur sein Nachbar schöpft Verdacht. Der immer wieder aufsteigende ekelhafte Geruch aus der Wohnung von Heinz N. fällt ihm auf. Jahrelang bemüht der Nachbar Behörden und die Hausverwaltung, bis im Januar 2017 endlich die Polizei erscheint und die Beamten in der Wohnung die zerstückelte Leiche des Rentners in einer Tiefkühltruhe findet. Die Gerichtsmedizin stellt fest, dass der Senior vermutlich Ende Dezember 2006 und Anfang Januar 2007 erschossen wurde.

Rentnerin Irma Kurowski war bis 2002 in der Naugarder Straße 49 in Prenzlauer Berg gemeldet.
Rentnerin Irma Kurowski war bis 2002 in der Naugarder Straße 49 in Prenzlauer Berg gemeldet.Polizei Berlin

Zehn Jahre liegt seine Leiche in der Kühltruhe: Der Mord an Heinz N. führt die Polizei zum Fall Irma Kurowski

Der Mordfall Heinz N.: Ermittler untersuchen die in Mülltüten abgepackten Leichenteile in einer Gefriertruhe. Die Szene wurde für die ZDFneo-Serie „Schuld & Sühne mit Paulina Krasa“ nachgestellt.
Der Mordfall Heinz N.: Ermittler untersuchen die in Mülltüten abgepackten Leichenteile in einer Gefriertruhe. Die Szene wurde für die ZDFneo-Serie „Schuld & Sühne mit Paulina Krasa“ nachgestellt.Tobias Schütze/ZDF

Festgenommen wird der Trödler Josef S. (damals 55), der sich mit dem verwitweten Heinz N. angefreundet und sich um ihn gekümmert hatte. Laut der Anklage im folgenden Prozess (2018) habe er den Rentner erschossen, ihn zerstückelt, die Leichenteile, die in Mülltüten verpackt waren, in einer Tiefkühltruhe gelegt, die S. gekauft und in die Wohnung seines Opfers gestellt hatte.

Danach lässt der Trödler Heinz N. weiterleben. Er soll fast zehn Jahre die Rente des Ermordeten kassiert haben. Monat für Monat rund 2000 Euro, die S. mit der EC-Karte des Toten von einem Bankautomaten holte. Im Prozess gibt S. zu, zur Finanzierung seiner Spielsucht nahezu das komplette Vermögen und die Rente von Heinz N. kassiert zu haben. Den Mord gesteht er nicht. S. habe eines Tages den Rentner tot auf den Sessel vorgefunden und diese Situation ausgenutzt, um sich dann an dem Vermögen des Toten zu bereichern.

Josef S. wurde wegen des Mordes an Heinz N. zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Polizei vermutet, dass er auch Irma Kulowski getötet hat. 
Josef S. wurde wegen des Mordes an Heinz N. zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Polizei vermutet, dass er auch Irma Kulowski getötet hat. BK/Repro/Richard

Aufgrund von Indizien wird 2018 der Trödler, den Zeugen als netten Mann aus der Nachbarschaft beschrieben, zur lebenslangen Haft wegen Mordes aus Habgier verurteilt. Denn der 100-prozentige Beweis fehlt, dass S. den Rentner  erschossen hat. Bis heute ist die Tatwaffe verschwunden. Dafür tauchen 2017 infolge der Ermittlungen Personaldokumente von Irma Kurowski auf.

Sie sind in einem Treppenverschlag im Keller des Trödlers in einer Tüte versteckt, in der auch Unterlagen von Heinz N. liegen. Erst durch den Fund der Dokumente erfahren die Ermittler, dass die  Rentnerin verschollen ist – vermutlich schon seit 2001. Denn im Folgejahr wird ihre Wohnung geräumt, weil sie seit Monaten keine Miete mehr zahlte. Wo die Frau zu dem Zeitpunkt ist, scheint niemanden zu interessieren. Offenbar auch nicht den zuständigen Behörden, die nach der Zwangsräumung nur von Amts wegen die Anschrift der Frau abmelden.

Der ermordete Rentner Heinz N.
Der ermordete Rentner Heinz N.BK/Thomas Lebie

Das Schicksal der Rentnerin: Es beschäftigt nach wie vor die Berliner Kriminaloberkommissarin Anja Bednarski, die in der ersten Folge der neuen ZDFinfo-Serie zu Wort kommt, die sich um den Rentner-Mord dreht. Die Polizistin ermittelte damals im Fall Heinz N. und nutzt nun die TV-Sendung, um im Fall der verschwundenen Irma Kurowski neue Hinweise zu bekommen um das Verschwinden der Frau aufzuklären.

Sie sieht durchaus Verbindungen zu dem Mord an Heinz N. Denn die 1924 in Polen geborene Rentnerin wohnt vor ihrem Verschwinden in der Naugarder Straße in Prenzlauer Berg, also ganz in der Nähe von Heinz N. Und zu ihren Nachbarn gehört die Mutter von Josef S., der auch nicht weit weg davon seine Wohnung hat. Der Trödler und Irma Kurowski müssen sich näher gekannt haben.

Laut Kriminalistin Bednarski hat sich der Trödler auch an der Rente von Irma Kurowski  bedient. Die Ermittlungen ergeben, dass Josef S. von 2001 (dem Jahr des Verschwindens der Rentnerin) bis 2016 rund 177.000 Euro von der Seniorin einkassiert. Zusammen mit der Summe, die er von Heinz N. ergaunerte, hat der Trödler insgesamt fast 400.000 Euro erbeutet.

Kriminaloberkommissarin Anja Bednarski ermittelt im Fall von Irma Kurowski.
Kriminaloberkommissarin Anja Bednarski ermittelt im Fall von Irma Kurowski.ZDF/„Schuld & Sühne mit Paulina Krasa“

„Tatsächlich gehen wir davon aus, dass die Tat an Irma Kurowski dazu geführt hat, dass am Ende auch Heinz N. sterben musste“, sagt Bednarski. „Josef S. muss gemerkt haben, dass er mit dem Modell, sich Geld anzueignen, durchkommt. Allerdings war die Rente von Irma Kurowski mit monatlich 900 Euro zu gering. Durch seine Beziehung zu Heinz N. wusste er, dass bei dem Rentner mehr zu holen war.“

Die Kriminaloberkommissarin geht davon aus, dass Irma Kurowski nicht mehr lebt. Um den Fall zu klären, durchforscht Bednarski über 100 Jahre alte Geburtsregister aus Polen, um doch noch lebende Angehörige von Irma Kurowski ausfindig zu machen. Mit Hilfe deren DNA könnte man im Falle eines Leichenfundes klären, ob es sich dabei um die verschollene Rentnerin handelt, so die Polizistin.

Ob Irma Kurowski ermordet wurde, kann nur Josef S. sagen. Doch er schweigt. Für Kriminalistin Bednarski gibt es nur ein Ziel: „Da der Mord an Heinz N. mein erster Fall war, bin ich bestrebt, auch den Fall Irma Kurowski zu klären“, sagt sie. „Und wenn es das Letzte ist, was ich tue: Ich werde Irma finden.“