Berlin macht sein Gas im Untergrund selber: Das war der Plan, bis die „Mitarbeiter“ schwächelten
Der stillgelegte Erdgasspeicher unter dem Grunewald soll jetzt Erdwärme liefern

Es war eine bestechende Idee: Berlin macht sich sein Erdgas selbst, in kleinem Rahmen, aber immerhin. Doch Ende März wird sich die Gasag mit einer Tochterfirma aus dem Projekt zurückziehen, im stillgelegten unterirdischen Berliner Erdgasspeicher das dem Erdgas ähnliche „grüne“ Methangas herzustellen. Die notwendigen „Mitarbeiter“ – Mikroorganismen - hatten nicht funktioniert wie erwartet. Ein zweites Nutzungskonzept wird aber weiterverfolgt.

Vor gut fünf Jahren war der Berliner Erdgasspeicher (BES) unter dem Grunewald nach 25 Jahren Betrieb stillgelegt worden. Noch zu Mauerzeiten als Energiereserve West-Berlins konzipiert, hatte er sich – heute kaum noch vorstellbar – wegen eines Gas-Überangebots nicht mehr gerechnet.
Die Frage blieb: Was anfangen mit dem Speicher, einer porösen Sandsteinschicht unter gasundurchlässigem Material? Für seinen eigentlichen Zweck wird er weiter als unwirtschaftlich angesehen, weil er zu klein sei.
Die erste Idee war „Methanisierung“: Die Produktion von Methangas, das wie Erdgas ins Netz gespeist werden kann.
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Auf dem Papier sollte das so funktionieren, erläuterte BES-Geschäftsführer Holger Staisch. Kohlendioxid (CO2), das in Biogasanlagen anfällt, wird zusammen mit Wasserstoff in die wasserführenden Schichten in bis zu 1000 Meter Tiefe gepumpt.
Von jeweils einem Wasserstoff-Elektron (Wasserstoff-Moleküle haben zwei) mit Energie versorgt, beginnen die Mikroorganismen, Kohlendioxid zu vertilgen. Sehr kurz dargestellt, entstehen dann aus dem zweiten Elektron, Sauerstoff und Kohlenstoff Methan und Wasser. Das Gas sammelt sich im Buntsandstein und wird bei Bedarf abgepumpt.
Wasserstoff aus geklärtem Abwasser
Der Wasserstoff sollte gleichfalls umweltfreundlich gewonnen werden: Ammoniumnitrat aus dem Wasser, das Klärwerke verlässt, sollte durch elektromagnetische Felder in Wasserstoff und industriell nutzbaren Stickstoff gespalten werden.
Die Frage, warum man nicht gleich Wasserstoff als Energiequelle verwendet, sondern den Umweg über Methan macht, erklärt Staisch damit, dass Wasserstoff schwierig durch vorhandene Rohrsysteme zu führen sei: „Die Netze sind noch nicht alle hundertprozentig Wasserstoff-fähig.“
Die winzigen „Arbeitskräfte“ schwächeln in Salzwasser
Doch das vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Projekt kam schon in der Laborphase nicht voran: Die Art der Mikroorganismen, die am meisten Methan produzieren könnten, sogenannte Archaeen, kamen mit ihrer Arbeitsumgebung nicht zurecht. Das Wasser, so erklärt es Staisch, sei „hoch mineralisiert“, gewissermaßen Salzwasser, die Archaeen „schwächelten“. Stabile Prozesse zur Methanproduktion ließen sich nur in Süßwasser erzielen.
Für Gasag / BES folgt daraus, dass man sich aus wirtschaftlichen Gründen aus dem Projekt zurückzieht, das im Verein mit dem Deutschen Brennstoffinstitut (DBI), der TU Clausthal, der MicroPro GmbH, dem Reiner Lemoine-Institut (RLI) sowie dem Institut für ökologische Wirtschaftsforschung IÖW betrieben wurde.
Fortgesetzt werden laut Holger Staisch Untersuchungen, den stillgelegten Speicher als Quelle von Erdwärme zu nutzen.
Das sei zwar auch an anderen Orten möglich, würde aber sehr teuer werden: Der Erdgasspeicher dagegen sei jedoch seinerzeit mit 21 Bohrungen, die zum Teil mehr als vier Kilometer tief getrieben worden waren, geologisch gut untersucht.
Wärme aus der Tiefe: 100 Grad in 3500 Metern unter uns
Dabei kam unter anderem heraus, dass der Berliner Untergrund in 500 Meter Tiefe rund 25 Grad warm ist, in 3500 Metern mit 100 Grad kochend heiß.
Im ersten Schritt soll Wärme aus 500 Metern an die Oberfläche geholt und in Wohn- und Gewerbegebieten sogenannte Wärmepumpen versorgen. Denn fürs Händewaschen oder gar die Heizung sind 25 Grad zu wenig.
Wärmepumpen, technisch gewissermaßen umgedrehte Kühlschränke, könnten jedoch mit Hilfe der Erwärme mit weniger Aufwand heißes Wasser produzieren.
Holger Staisch schränkt ein, dass das gesamte Vorhaben unmittelbar mit der Entwicklung der Wohnbebauung und den Plänen der Immobilienwirtschaft in der weiteren Umgebung sowie mit den Bezirksämtern abgestimmt werden müsse.
Wärme-Bohrlöcher an vier Orten möglich
Da sei er ganz optimistisch, denn erst wenn sich zeige, dass die gewonnene Erdwärme auch mit Gewinn verkauft werden kann, könne man voranschreiten. Das bedeutet, dass man an bis zu vier möglichen Orten (Glockenturmstraße, Am Postfenn, Brandensteinweg, Siemenswerderweg) anfängt, für die in der Tiefe notwendigen Wärmetauscher hinreichend große Löcher zu bohren.
Sorgen macht dem Geschäftsführer die Verwaltungsebene: „Bei der Geothermie verfolgt die Stadt eine sehr restriktive Genehmigungspolitik.“ Dahinter stecke die in Staischs Augen übertriebene Befürchtung, das Grundwasser könne Schaden nehmen: Wenn die Rohre, durch die warmes Wasser nach oben gepumpt wird, das Grundwasser passieren, könne es sich ebenfalls erwärmen und zu schädlichen „mikrobiologischen Entwicklungen“ führen.