Verfassungsschutzbericht 2019
Berlin ist Hauptstadt für Links-Chaoten, Nazis und Salafisten
Andreas Geisel: Rechtsextremismus so enthemmt wie nie zuvor. Aber auch Klimaschützer gelten jetzt als verfassungsfeindlich.

Berlin bleibt die Hauptstadt der Extremisten. Das geht aus dem aktuellen Verfassungsschutzbericht für 2019 hervor, der an diesem Dienstag von Innensenator Andreas Geisel (SPD) vorgestellt wurde.
Linksextremismus: 2019 stieg die Zahl der dem Verfassungsschutz bekannten Linksextremisten um 260 auf 3400 an. Dies führt die Behörde vor allem auf den Mitgliederzuwachs beim Verein „Rote Hilfe“ zurück. Die Zahl gewaltbereiter Linksextremisten belief sich im vergangenen Jahr auf 980 (2018: 970).
Neu aufgenommen in den Bericht hat der Verfassungsschutz die Gruppe „Ende Gelände“, die an Kampagnen für Klimaschutz teilnimmt. In der Gruppe sind in Berlin 30 Personen aktiv. Das Anti-Kohle-Bündnis, das auch von der Jugendorganisation der Linkspartei und den Grünen unterstützt wird, organisiert bundesweit unter anderem die Besetzung von Tagebauen.
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Das Thema Klimaschutz wird laut Verfassungsschutz auch von Linksextremisten genutzt. „Dabei verbünden sie sich offensiv und zum Teil plakativ mit zivilgesellschaftlichen Initiativen“, heißt es in dem Bericht. „Ihnen geht es jedoch nicht nur um effektiven Klimaschutz, sondern auch hier um eine gezielte Diskreditierung von Staatlichkeit.“
Kritik von Grünen und Linken
Darüber hinaus versuchen sie, die – zumeist jungen – Klimaakteure zu vereinnahmen und zu radikalisieren. Als Berliner Gruppe taucht „Ende Gelände“ erstmals 2015 auf. Der Zusammenschluss geriere sich in seiner Außendarstellung als Klimaschutz-Akteur, erklären die Autoren des Verfassungsschutzberichtes. Dabei werde verschleiert, dass die tatsächlichen Ziele weit darüber hinaus reichten. So bezeichne sich die linksextremistische Interventionistische Linke als maßgeblicher Bestandteil von „Ende Gelände.“ Das Bündnis habe wiederholt gezeigt, dass es bei den von ihm organisierten Massenaktionen des zivilen Ungehorsams die Anwendung von Gewalt mindestens billigend in Kauf nehme.
Kritik an der Aufnahme im Verfassungsschutzbericht kommt von Grünen und Linken: Rechtsextreme Gewalt greife immer weiter um sich, erklärte die Grünen-Fraktion. „Dass der Verfassungsschutz trotzdem penibelst darauf bedacht ist, die Gefahr von links und rechts als gleich darzustellen, stellt seine Existenz immer mehr in Frage.“ Reichsbürger nicht als rechtsextrem, aber Ende Gelände als linksextrem einzustufen, sei nicht hinnehmbar.
Lorenz Gösta Beutin, Linken-Klimapolitiker im Bundestag, kritisierte ebenfalls: „Nach der Logik des Berliner Verfassungsschutzes müsste man Gandhi als extremistisch einstufen.“
Rechtsextreme Gewalttaten vor allem in Neukölln
Rechtsextremismus: „2019 wird als das Jahr in Erinnerung bleiben, in dem sich der Rechtsextremismus enthemmt wie nie zuvor in der jüngeren Geschichte gezeigt hat“, so Geisel. Die Morde von Kassel, Halle und dieses Jahr in Hanau seien flankiert von rechter Hetze, die vor allem im Internet ein erschreckendes Ausmaß erreiche.
Der Verfassungsschutz zählte im vergangenen Jahr 1420 Personen zur rechtsextremistischen Szene. Davon gelten 700 als gewaltorientiert; das sind fast unveränderte Zahlen im Vergleich zum Vorjahr. Zu den beobachteten Organisationen gehören Parteien wie die NPD und „Der III.Weg“, aber auch das „Netzwerk Freie Kräfte“, eine lose Verbindung, die ihre Anfänge in der Kameradschaftsszene der frühen 2000er Jahre hat. Die rund 140 Personen des Netzwerks treten jedoch kaum als geschlossene Gruppe in Erscheinung. Regionale Schwerpunkte liegen in den Bezirken Pankow, Lichtenberg, Treptow-Köpenick, Marzahn-Hellersdorf und Neukölln.
In der Szene gibt es seit Jahren einen Strukturwandel, bei dem Mitglieder Parteien, Vereine und Gruppierungen verlassen. Während der Verfassungsschutz früher vor allem die Organisationen beobachtete, behält er nun die Personen im Blick. Denn mehr als die Hälfte der 1420 erfassten Rechtsextremisten gehören inzwischen keiner festen Gruppierung mehr an. Rechtsextreme Gewalttaten gab es vor allem in Neukölln. Von 2016 bis 2018 brannten mehrere Autos von Personen, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren. Auch 2019 setzte sich die rechtsextremistische Straftatenserie in Neukölln durch Graffiti und Drohschreiben fort.
Die Gefahr schwerster Gewaltverbrechen durch radikalisierte Rechtsextremisten, wie etwa das Attentat von Halle, hat laut Verfassungsschutz erheblich zugenommen. Diese Täter handelten zwar allein, radikalisierten sich aber häufig in einem virtuellen Chat-Milieu. Wie im Vorjahr zählten die Verfassungsschützer auch 670 aktive „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“, die die Existenz der Bundesrepublik nicht anerkennen. Im März 2020 wurde mit den „Geeinten deutschen Völkern und Stämmen“ eine der aktivsten Berliner „Reichsbürger“-Gruppierungen verboten.
Hate Speech: Ernste Bedrohung für die Demokratie
Islamismus: Das salafistische Personenpotenzial ist im vergangenen Jahr von 1020 auf 1140 Personen angewachsen. Davon sind 470 Personen gewaltorientiert (2018: 460). Nachdem die Dynamik des Zuwachses in den vergangenen Jahren nachgelassen hatte, fällt der Anstieg wieder stärker als 2018 aus. Dies liegt zum einen daran, dass der Behörde mehr dieser Personen bekannt sind; zum anderen zeigt es aber auch die Sogwirkung, die Berlin auf die salafistische Szene anderer Bundesländer ausübt.
In das einstige Herrschaftsgebiet des „Islamischen Staates“ sind mehr als 135 Personen aus Berlin ausgereist. Rund 20 davon sind dort gestorben. Nach Berlin zurückgekehrt sind etwa 65 Personen.
Die Anhänger der dschihadistischen Ideologie ziehen sich allerdings weiter ins Private zurück und treffen sich in Wohnungen. Parallel dazu bilden sich kleine, konspirative Gruppen, in denen insbesondere dschihad-salafistische Personen ihre kompromisslosen und gewaltaffinen Positionen propagieren. Offensichtlich sollen den Sicherheitsbehörden keine Gründe für Verbote oder Razzien gegeben werden. Dies zeigt sich auch durch zunehmendes Ausweichen salafistischer Protagonisten ins Ausland. Gleichwohl bewertet der Verfassungsschutz die Gefährdungslage durch den islamistischen Terrorismus auch in Berlin als unverändert hoch.
Hate-Speech: Seinem Bericht hat der Verfassungsschutz ein Sonderkapitel „Hate-Speech“ vorangestellt. Es zeigt Beispiele, wie rechte, linke und islamistische Extremisten in sozialen Medien Menschen beleidigen und bedrohen. Nach Angaben der Senatsinnenverwaltung soll das Kapitel die Mechanismen dieser verfassungsfeindlichen Stimmungsmache verdeutlichen, die sich zu einer ernsten Bedrohung für die Demokratie entwickelt habe.