Ein Patient wird im Impfzentrum am ehemaligen Flughafen Berlin-Tegel geimpft. Laut einem Bericht gab es in  Berliner Impfzentren Fehlverhalten von Impfärzten  (Archivfoto). 
Ein Patient wird im Impfzentrum am ehemaligen Flughafen Berlin-Tegel geimpft. Laut einem Bericht gab es in  Berliner Impfzentren Fehlverhalten von Impfärzten  (Archivfoto).  dpa/Paul Zinken

Während der Hoch-Zeit der Corona-Pandemie gab es in Berliner Impfzentren heftige Missstände. Das berichtet das Nachrichtenmagazin Der Spiegel unter Berufung auf eine interne Liste der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Berlin.

Demnach ignorierten Mediziner Vorschriften, beschimpften Kollegen und Patienten oder bevorzugten Angehörige bei der Impfung. Von Januar bis November 2021 seien rund 150 derartige Fälle dokumentiert worden, schreibt das Magazin. Zudem geht es in dem Bericht auch um die Bezahlung der Mediziner in den Impfzentren - die es sogar gab, wenn Dienste abgesagt wurden. 

Laut der internen Dokumentation, aus der das Nachrichtenmagazin zitiert, gab es die erste Beschwerde am 2. Januar. Eine Ärztin in einem mobilen Impfteam habe „32 privat Personen geimpft ohne Rücksprache mit der Einsatzleitung“. Solche Fälle habe es immer wieder gegeben, „Hat seine Frau in der Einrichtung geimpft“, „hat ihren Sohn geimpft“, „soll ihren Bruder geimpft haben“ heißt es in der Auflistung der KV.  Am 21. Januar wollte demnach eine Ärztin in einem Heim „einen Bewohner weglassen, um sich erst einmal selbst zu impfen“. 

Spritze verimpft, nachdem sie auf dem Boden lag

Bei einem Team, das Bewohner eines Pflegeheims impfen sollte, habe die Heimleitung gesehen wie der Doktor „eine voll aufgezogene Spritze fallen lies, und diese dann an einem Patienten verimpfte“, heißt es laut dem Magazin in der Dokumentation der KV. Die eigentlich sterile Kanüle habe also vor der Impfung auf dem Boden gelegen. Der Arzt habe „zittrige Hände“ gehabt. 

Ein Soldat der Bundeswehr steht im Corona-Impfzentrum am ehemaligen Flughafen Tempelhof kurz vor dessen Eröffnung (Archivfoto). 
Ein Soldat der Bundeswehr steht im Corona-Impfzentrum am ehemaligen Flughafen Tempelhof kurz vor dessen Eröffnung (Archivfoto).  AFP-POOL/Tobias Schwarz 

In anderen Fällen seien Ärzte offenbar nicht voll einsatzfähig gewesen. Ein Kollege wirkte alkoholisiert, andere zeigten Koordinationsschwierigkeiten. Dem Bericht zufolge gab es am 5. Februar im Impfzentrum im Erika-Heß-Eisstadion Ärger mit einem Arzt, der „deutliche Zeichen einer Altersdemenz“ aufwies.

Er habe seine Kleidung nach der Ankunft auf drei Spinde verteilt und sie nach dem Dienstende nicht wiedergefunden. Zudem sei dem Mann seine eigenen Impfung am wichtigsten gewesen. Als diese ihm mit Verweis auf die Regeln verweigert wurde, habe er einen Wutausbruch bekommen.

Die Impfärzte wurden auch bezahlt, wenn die Dienste abgesagt wurden

Ebenfalls in der Liste vermerkt ist der Hinweis auf ein „auffälliges Dienstbuchungsverhalten“ mancher Mediziner. Laut Spiegel sollen sich Ärzte untereinander die lukrativen Dienste zugeschanzt haben - 720 Euro habe es für eine Sechsstundenschicht gegeben.

Die Mediziner seien oft selbst dann bezahlt worden, wenn ihr Einsatz ausfiel. Wurde ein Dienst ein bis zwei Wochen vorher abgesagt, gab es eine Ausfallentschädigung von 300 Euro, für Absagen bis zu 48 Stunden vorher erhielten Ärzte 500 Euro und unter 48 Stunden das volle Honorar. 

Laut der Liste der KV wurden 4626 Dienste bis zu zwei Wochen vorher abgesagt. Die Kosten für die Ausfallhonorare dürften somit laut Spiegel bei mindestens zwei Millionen Euro gelegen haben.

Kassenärztliche Vereinigung: Beschwerdequote von drei Prozent ist gering

Die KV Berlin bestätigte dem Magazin die Dienstabsagen und Beschwerden. Laut einer Sprecherin müssten die Vorfälle „auch vor dem Hintergrund der Herausforderung der damaligen Situation gesehen werden“. Bei rund 4800 Impfärzten sei die Beschwerdequote mit drei Prozent gering. Je nach Fall seien die Ärzte ermahnt oder vom Dienst ausgeschlossen worden. Lediglich sieben Prozent der Dienste seien abgesagt worden, das sei „eine geringe Quote bei den Herausforderungen und dem öffentlichen Anspruch der damaligen Zeit“, hieß es weiter von der KV. Gerade anfangs wäre das wegen der wechselnden Zeit- und Impfmengenvorgaben häufiger passiert. Wegen „des erheblichen organisatorischen Aufwands“ habe man die Ärzte dann entschädigt.