Traktoren-Fahrschule

Bauer bremst schlau! Bei diesem Fahrtraining rasen motorisierte Riesen über die Piste

Weil immer wieder Unfälle mit Treckern passieren, frischen Landwirte beim ADAC ihre Kenntnisse auf. Der KURIER besuchte den Knatter-Kurs von Linthe.

Teilen
Beim Training üben die Bauern mit ihren Traktoren auch das Bremsen auf nassem Untergrund.
Beim Training üben die Bauern mit ihren Traktoren auch das Bremsen auf nassem Untergrund.Foto: Volkmar Otto

Brandenburgs Landwirte tuckern gemütlich mit ihren Traktoren über Wiesen und Felder? So einfach ist es nicht, schließlich müssen die Bauern mit ihren Gefährten erstmal auf ihr Arbeitsgelände kommen. Und das geht oft nur über Straßen. Damit es nicht zu Unfällen kommt, werden beim ADAC regelmäßig Fahrtrainings für Landwirte angeboten – auf ihren Treckern brettern sie über das Gelände, üben das Ausweichen und Vollbremsungen auf nassem Boden.

Geradewegs düst ein Traktor über die asphaltierte Fläche. Die blaue Karosserie strahlt im Sonnenschein, der Motor knattert, der Anblick der riesigen Reifen weckt Erinnerungen an den letzten Urlaub auf dem Land. Das Fahrzeug passiert eine leichte Kunststoff-Schwelle – und plötzlich ist da kein Asphalt mehr, sondern klatschnasser, spiegelglatter Bodenbelag. Der Trecker rast weiter, unbeirrt, eine Anzeige am Rand der Piste zeigt 34 Kilometer pro Stunde.

Dann passiert das Fahrzeug ein gestreiftes Verkehrshütchen. Vollbremsung! Das Wasser spritzt, der Trecker schlittert und schlittert. Zehn, zwanzig, dreißig Meter weit, bis er endlich laut quietschend zum Stehen kommt. Am Rand der Fläche steht Frank Burdach (52), ein großer Mann mit schwarz-gelber Jacke, auf der Brust prangt ein Schriftzug des ADAC. „Mensch, du bremst wie meine Schwiegermutter“, ruft er in sein Funkgerät. „Und die hat nicht mal einen Führerschein.“

Die Traktoren sind zwischen fünfeinhalb und 13 Tonnen schwer

Das ADAC-Gelände im brandenburgischen Linthe. Eine große Freifläche voller asphaltierter Pisten, auf denen Pkw-Fahrer bei Fahrsicherheitstrainings üben. Und heute, mittendrin: fünf Traktoren, zwischen fünfeinhalb und 13 Tonnen schwer. Die Fahrer brettern mit den Landmaschinen durch Pfützen, fahren durch Kurven, üben das richtige Bremsen. Alles wirkt wie ein schräges Freizeitangebot von Jochen Schweizer – doch was lustig aussieht, hat einen ernsten Hintergrund: Alle, die hier am Steuer sitzen, sind Bauern. Ihr Ziel: Mehr Sicherheit auf dem Trecker.

Frank Burdach (52) leitet das Training, gibt über das Funkgerät Befehle.
Frank Burdach (52) leitet das Training, gibt über das Funkgerät Befehle.Foto: Volkmar Otto

Regelmäßig werden auf dem Gelände in Linthe solche Übungstage angeboten. Dieses Mal steckt die „gvf“ dahinter, ein Versicherungsunternehmen für die Landwirtschaft. Matthias Herrmann (45) arbeitet hier im Bereich Sicherheitsmanagement – und spricht von hohen Schadensquoten bei den Landwirten. „Es ist doch so: 95 Prozent der Fahrten, die mit einem Traktor gemacht werden, finden auf dem Acker statt“, sagt er. 

Dort gebe es keine Gegner, „außer vielleicht die zwei Telefonmasten, die wir dieses Jahr hatten.“ Er lächelt. „Das Problem sind die anderen fünf Prozent. Auf der Straße sind Autofahrer unterwegs, Radfahrer, Motorradfahrer. Bei diesen Begegnungen passieren Unfälle.“ Die Wucht der Landmaschinen werde oft unterschätzt, von beiden Seiten, sagt Herrmanns Kollege Jürgen Raatz (57). „Wenn sich 13 Tonnen unkontrolliert durch die Gegend bewegen, kann man kaum etwas tun.“

Erik Karle nimmt am Training teil, um mehr Sicherheit im Straßenverkehr zu gewinnen.
Erik Karle nimmt am Training teil, um mehr Sicherheit im Straßenverkehr zu gewinnen.Foto: Volkmar Otto

Bei den Sicherheitstrainings sollen die Landwirte lernen, wie sie in brenzligen Situationen besser reagieren. „Und man lernt, wo die Grenzen des Fahrzeugs liegen“, sagt Erik Karle. Der 18-Jährige kommt aus Friesack im Havelland und ist „Landwirt aus Leidenschaft“, sagt er. „Ich habe meinen Führerschein mit 16 gemacht, um in unserem Familienbetrieb mithelfen zu können. Wir bewirtschaften 300 Hektar Land, da gehört das Fahren dazu.“ Einen Unfall habe er bisher zum Glück nicht gebaut – „aber einmal hat die Bremsanlage versagt. Das ging zum Glück gut aus.“

Lesen Sie dazu auch: LKW-Förderung nur mit Abbiege-Assistent >>

Wie wichtig es ist, dass Landwirte das richtige Verhalten im Straßenverkehr zu üben, weiß auch Frank Burdach – er ist eigentlich Fahrlehrer, leitet seit fünf Jahren Traktoren-Trainings auf dem Gelände, auch heute. „Es kommt leider immer wieder zu Notsituationen, in denen sich Landwirte mit ihren Traktoren falsch verhalten“, sagt er. „Da ist es immens wichtig, dass so etwas regelmäßig trainiert wird, denn wenn es zum Unfall kommt, sind die Folgen schon aufgrund der Masse des Traktors verheerend.“

Er bringt seinen Schülern das richtige Lenken bei, „außerdem trainieren wir Ausweichmanöver, und das Bremsen auf griffigen und glatten Flächen.“ Vor allem hier weiche die Wahrnehmung der Fahrer immer wieder von der Realität ab. „Die Landwirte denken, sie können ihre Traktoren richtig einschätzen und problemlos fahren, aber oft ist es dann doch anders.“

Auf dem ADAC-Testgelände werden regelmäßig Trainingstage für Trraktoren angeboten.
Auf dem ADAC-Testgelände werden regelmäßig Trainingstage für Trraktoren angeboten.Foto: Volkmar Otto

Alle Landwirte unterschätzen die Bremswege ihrer Traktoren

Das lässt sich auf der Trainingsfläche spüren: Als es um das Abbremsen in Pfützen geht, sollen die Teilnehmer zunächst schätzen, an welcher Stelle die Fahrzeuge zum Stehen kommen werden. Fast alle haben den Bremsweg überschätzt, kommen weit vorher zum Stehen. Das klingt erst einmal positiv. „Das eigentliche Problem ist im Moment einer solchen Bremsung das Auto dahinter“, sagt Burdach.  Solche Erkenntnisse helfen, Risiken besser beurteilen zu können. Auch deshalb nehmen Traktoren unterschiedlicher Gewichtsklassen Teil, mal mit Anhänger, mal ohne, zwischendurch wechseln die Bauern die Fahrzeuge. 

Lars Schröder arbeitet als Landwirt in Dessau-Roßlau.<br>
Lars Schröder arbeitet als Landwirt in Dessau-Roßlau.
Foto: Volkmar Otto

Am Ende verlassen alle mit neuen Erkenntnissen das Feld, auch Landwirt Lars Schröder. Der 35-Jährige ist aus Dessau-Roßlau angereist, arbeitet hier in einer Agrargenossenschaft mit 1500 Hektar Land, Kühen und Mastschweinen. „Im Straßenverkehr passieren doch immer wieder Situationen, auf die man nicht vorbereitet ist“, sagt er. Ihm sei mal bei der Kartoffel-Ernte ein Reifen am Anhänger geplatzt – alles ging gut aus, doch das ist nicht selbstverständlich.

„Ich will lernen, wie ich im Notfall bremsen muss – und welche Auswirkungen es hat, wenn ich einen Hänger ziehe.“ Er selbst sei bei den Übungen von der Wucht überrascht gewesen. „Wenn man ehrlich ist: Man ist auf dem Traktor selten angeschnallt. Aber wenn man in die Eisen steigen muss, klebt man an der Frontscheibe.“