Sie legten Feuer, um eine Brandschutzprüfung zu verhindern

Barrikaden brennen, Steine fliegen, Böller krachen: „Rigaer 94“-Hausbesetzer liefern sich Straßenkampf mit der Polizei

200 Chaoten gegen 200 Polizisten: Bei den Krawallen wurden 60 Beamte verletzt. Der Grund ist ein Streit um das von der linken Szene besetzte Haus „Rigaer 94“.

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Eine Barrikade brennt in der Rigaer Straße.
Eine Barrikade brennt in der Rigaer Straße.Foto: dpa

Es ist kurz vor Mittag, als in der Rigaer Straße die Straßenschlacht beginnt. Linksextremisten haben dort am Mittwoch Barrikaden aus Stacheldraht, Absperrgittern und Fahrrädern errichtet. Autoreifen brennen, dicke schwarze Rauchschwaden steigen über den Friedrichshainer Kiez auf. Etwa 200 Chaoten attackieren Feuerwehrleute, die die Brandherde löschen wollen, und Polizisten, die mit Wasserwerfern, Räumpanzern anrücken. Steine fliegen, Böller explodieren. Laut Polizei wurden 60 Beamte verletzt. Der Grund für die Ausschreitungen ist das von der linken Szene teilbesetzte und verbarrikadierte Haus in der Rigaer Straße 94.

Dort soll am Donnerstag, um 8 Uhr, eine von den Behörden angeordnete Brandschutzüberprüfung stattfinden. In dem Haus wurden vor Jahren zahlreiche Mängel dokumentiert: fehlende Fluchtwege, Wanddurchbrüche, falsch verlegte Stromleitungen und Sperren in Treppenhäusern.

Unter massiven Polizeischutz soll die Begehung der Gutachter mit Vertretern der Hauseigentümer und deren Anwälten stattfinden. Denn die Bewohner der Rigaer 94 und deren Sympathisanten hatten Widerstand gegen die Begehung angekündigt. Nicht nur mit Eilanträgen vor Gericht wollen sie die Maßnahme verhindern. Man rechnete auch mit Krawallen. Um diese zu verhindern, sollte bereits am Mittwoch eine Sperrzone vor dem Haus durch die Polizei errichtet werden. Mit Halteverboten für Autos, mit Straßensperren: Die „Nutzung des Straßenlandes für öffentliche Versammlungen“ wurde bis  Freitagnacht untersagt. Nur Anwohner der Rigaer Straße sollten das Areal passieren dürfen.

Ein Räumpanzer der Polizei schiebt in der Rigaer Straße eine Barrikade beiseite, dahinter ist ein Wasserwerfer im Einsatz.
Ein Räumpanzer der Polizei schiebt in der Rigaer Straße eine Barrikade beiseite, dahinter ist ein Wasserwerfer im Einsatz.Foto: dpa

Doch die Linksextremisten kamen am Mittwoch den polizeilichen Absperrmaßnahmen zuvor. Über Twitter-Nachrichten riefen sie ihre Gefolgsleute kurz vor 12 Uhr zur Randale auf:  „Die Verteidigung der Rigaer 94 hat begonnen. In dieser Minute wird die Straße verbarrikadiert und eine autonome Zone eingerichtet, um die Rote Zone des Senats zu verhindern. Kommt schnell vorbei.“

Da steigen auch schon dicke Rauchschwaden über der Rigaer Straße auf. Feuer lodert aus Reifen und zusammengetragenen Müllbergen auf der Kreuzung vor dem teilbesetzten Haus. Derweil hat die Polizei schon die Straße abgeriegelt. Dutzende Mannschaftswagen mit Blaulicht blockieren jeden Verkehr. Etwa 200 Beamte sind im Einsatz. Laut Polizei stehen sie etwa 200 Randalieren gegenüber. Auch Schaulustige stehen überall und sehen zu, was passiert. Dann knallt es, es klingt wie Silvesterböller, die gezündet werden. Zwei Dutzend Mal knallt es.

Einsatzkräfte werden mit Stein- und Flaschenwürfen attackiert

Es ist der Versuch der Chaoten, Polizei und Feuerwehr, die zu den brennenden Barrikaden vordringen wollen, mit aller Gewalt zu stoppen. „Unsere Einsatzkräfte und die Feuerwehr werden nicht durchgelassen. Stattdessen werden sie angegriffen“, twittert gegen 12 Uhr die Polizei. „Die Einsatzkräfte sind massiv auch mit Steinwürfen von der Straße und von den Dächern angegriffen worden“, sagt eine  Polizeisprecherin. Etwa 60 Polizisten seien verletzt worden. Die meisten wurden von Steinen und Flaschen getroffen. Andere Polizisten atmeten an den brennenden Barrikaden giftige Rauchgase ein. Aus dem Dienst habe jedoch niemand ausscheiden müssen, erklärte die Polizeisprecherin. Einen der Steinewerfer nahm die Polizei fest.

Feuerwehrmänner löschen letzte Brandnester.<br>
Feuerwehrmänner löschen letzte Brandnester.
Foto: Markus Wächter

Kurz nach 12 Uhr kreist das erste Mal ein Hubschrauber über die Rigaer Straße. So, wie es üblich ist, wenn es zu Ausschreitungen mit Hausbesetzern und Linksextremisten kommt. Auch Wasserwerfer und Räumpanzer der Polizei rollen an. Gegen 12.20 Uhr ist die erste brennende Barrikade gelöscht. Doch noch sind die Krawalle nicht beendet. Schulen und Kitas in der Nachbarschaft bitten Eltern, ihre Kinder abzuholen. Polizisten klettern derweil auf die Häuserdächer, beseitigen dort mehrere Steinhaufen und schrauben die Dachluken zu. So soll verhindert werden, dass Linkextremisten erneut auf die Dächer kommen und von dort Steine auf die Straße werfen, die auch unbeteiligte Passanten treffen könnten.

Um dieses Haus geht der Streit: Die Rigaer 94, die von linksradikalen Bewohnern besetzt und  verbarrikadiert ist.
Um dieses Haus geht der Streit: Die Rigaer 94, die von linksradikalen Bewohnern besetzt und verbarrikadiert ist.Foto: dpa

Gegen 14 Uhr herrscht wieder Ruhe auf der Rigaer Straße. Die Feuer sind längst gelöscht, die Barrikaden beseitigt. Das besetzte Haus Rigaer 94 wird von der Polizei abgeriegelt und bewacht. Eine Sprecherin erklärt, dass man mit „weiteren derartigen gewalttätigen Ausschreitungen“ bis in die Nacht zum Donnerstag nicht mehr rechne. Innensenator Andreas Geisel (SPD) verurteilte die Krawalle. „Wer Autoreifen anzündet, kämpft nicht für linke Freiräume, sondern drangsaliert den eigenen Kiez“, sagt er.

Brenzlig dürfte es in der Rigaer Straße wieder am Donnerstagmorgen werden, wenn die Brandschutzbegehung stattfinden soll. Die Bewohner des Hauses 94 sind verpflichtet, dies zuzulassen. Doch sie befürchten, dass die Begehung nur als Vorwand für eine Räumung des Hauses diene. Mit einem Eilantrag vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin versuchen sie, die Begehung in letzter Sekunde zu verhindern. Am späten Nachmittag entschieden die Richter, dass die Bewohner das Betreten des Grundstücks durch einen staatlich anerkannten Brandschutzexperten und die Bauaufsicht dulden müssen. Allerdings sind die Vertreter des Hausbesitzers ausgeschlossen.