Katja Schnetzke (52) und Beate Kothe (55) machen Badekappen-Kunst. Mit einer Ausstellung wollen die beiden auf Krankheiten aufmerksam machen, für die es keine Diagnose gibt.
Katja Schnetzke (52) und Beate Kothe (55) machen Badekappen-Kunst. Mit einer Ausstellung wollen die beiden auf Krankheiten aufmerksam machen, für die es keine Diagnose gibt. Sabine Gudath

Normalerweise ist es so: Man fühlt sich krank, spürt ein Gebrechen und geht auf der Suche nach Linderung zum Arzt. Der stellt nach einer oder mehreren Untersuchungen eine Diagnose und es beginnt eine Therapie, welche im besten Falle zu Linderung, ja Heilung führt. Doch Menschen wie Beate Kothe ersehnen diese Linderung, die Diagnose und die Therapie vergebens. Seit zehn Jahren ist Beate Kothe von Arzt zu Arzt unterwegs - auf der Suche nach Antworten.

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Hypochonder, psychologisches Problem, Patienten fühlen sich nicht ernst genommen

Alles beginnt mit einem Kribbeln in den Beinen, welches seitdem nicht verschwunden ist. Muskelschwäche, Geweberückgang, Missempfindungen in den Händen. Manchmal fehlt die Kraft für alltägliche Dinge. Beate Kothe spürt, dass etwas in ihrem Körper aus dem Takt geraten ist. Von den Ärzten muss sie sich sagen lassen, sie habe ein Problem mit dem Altern, Begriffe wie Hypochondrie fallen. Dabei sei sie immer ein sehr positiver und lebensfroher Menschen gewesen. Sportlich, sich selber herausfordernd, immer agil. Nun scheint der Motor überdreht, überhitzt, kaputt. Doch keiner da, der ihn reparieren kann.

Außen stachelig. Mit goldenen Reißzwecken verzierte Badekappe.
Sabine Gudath
Außen stachelig. Mit goldenen Reißzwecken verzierte Badekappe.

„Selbst Menschen mit sehr seltenen Erkrankungen finden Ansprechpartner. Aber Menschen ohne Diagnose sind auf sich gestellt“, kritisiert Beate Kothe. Sie fallen durch das Raster.

„Ich bin eine sogenannte Drehtürpatientin“, sagt die 55-Jährige. Schnell wieder raus aus der Praxis wolle man sie meist haben. Noch besser beschreibt das Wort Pingpong-Patientin das Gefühl, welches sie schon lange begleitet. Ein Arzt schickt sie zum nächsten, sobald in seinem Fachgebiet alle Verdachtsdiagnosen abgeklärt sind und nichts gefunden werden konnte.

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Früher war Beate Kothe sportlich, heute hängt es von der Tagesform ab, was geht. Schnell wird Kothe als psychosomatischer Fall identifiziert. Der ständige Kampf gegen dieses Label, das das Leiden in ihrer Wahrnehmung nicht widerspiegelt, zermürbt zusätzlich.

Den Umgang mit ihr empfindet Beate Kothe oft als erniedrigend. Auch im näheren Umfeld können Bekannte schlecht damit umgehen, dass es keine Diagnose gibt, und wenden sich ab.

Mit Freude und einem Augenzwinkern wollen Katja Schnetzke und Beate Kothe  auf ein ernstes Thema aufmerksam machen.
Sabine Gudath
Mit Freude und einem Augenzwinkern wollen Katja Schnetzke und Beate Kothe  auf ein ernstes Thema aufmerksam machen.

Beate Kothe wiederum versucht, sich von sich selber abzulenken. Sie näht, schreibt, tut alles um das Gedankenkarussell zu stoppen. Im Schwimmbad fällt ihr eine knallgelbe Badekappe auf, zu Hause beginnt sie, ihre erste Kappe zu gestalten. Sie klebt alltägliches auf eine Badekappe. Wattestäbchen, Strohhalme, Nüsse, Reißzwecken, Weinkorken,  Popcorn, Tabletten.  Bunte, stachelige, borstige und zahme Köpfe entstehen, während Beate Kothe ihren eigenen Kopf frei kriegt.

Mit Kappen-Kunst gegen den Kollaps

Eine Freundin, Katja Schnetzke, motiviert Beate Kothe zu mehr Öffentlichkeit. „Die Kappen wären definitiv im Regal verstaubt, sie waren am Anfang eher Therapie – aber sie sind einfach zu einzigartig und schön“, sagt sie. Auf Fotos überdauern die fragilen Kappen, von denen es mittlerweile 56 gibt. Alle „Damen“, haben einen Namen erhalten.  Sichtbar werden, das ist das Anliegen von Wanda Wattestab, Ramona Rakete, Polly Popcorn und Zora Zweck. Jeder einzelne Kopf steht sinnbildlich  für einen Patienten, der nicht gehört wird. „Es sei jetzt Zeit, aus den dunklen Ecken zu kommen und mit einem positiven Signal auf sich aufmerksam zu machen“, sagen die beiden Frauen, die große Pläne für ihre Köpfe haben.

Krank ohne Diagnose - kaum Aulaufstellen

Es soll weitere Artikel mit den Motiven geben. Vielleicht kann irgendwann eine interdisziplinäre Anlaufstelle für Menschen ohne Diagnose davon profitieren? So wie Aids-Kranke die rote Schleife als Erkennungszeichen haben, Menschen mit seltenen Erkrankungen die bunte Hand, so sollen die „Beatkaps“ Zeichen für Menschen sein, die leiden, ohne dass sie wissen, woran.

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Beate Kothe trägt ein Shirt mit einem ihrer Motive, als sie von ihrer Vision erzählt, eine Badekappe, die aussieht wie eine Disko-Kugel. „Wenn ich das Shirt trage, macht es mich stark“, sagt sie. Und wenn nur ein paar Menschen mit den farbenfrohen Kappen aus einer fatalen Lebensstimmung herausfinden, ist schon etwas erreicht. Kannst du mich hören? Fragt jeder einzelne Kopf. „Einfach ernst genommen werden“, das ist das größte Anliegen.

Die Ausstellung ist in der 4. Etage der Alten Mälzerei in direkter Nähe zum S-Bahnhof Lichtenrade zu sehen. Der Eintritt ist kostenlos.

www.instagram.com/beat.kaps