Erschreckende Bilanz
Autorennen auf den Straßen: Berlin ist die Hauptstadt der Raser!
Immer mehr PS-Protze liefern sich illegale Rennen. Die Justiz hat in diesem Jahr bereits rund 430 Verfahren eingeleitet. „Damit ist absehbar, dass die Zahlen höher sein werden als 2021 und 2022“, sagen die Ermittler.

Blitzer und Kontrollen schrecken nicht ab: Die Straßen Berlins verkommen immer mehr zu Rennpisten. PS-Protzer lassen die Motoren ihrer teuren Karren aufheulen und geben Gas. Meist sind es Jugendliche, die mit geliehenen schnellen Luxus-Karossen die Fahrbahnen unsicher machen, auf andere Verkehrsteilnehmer keine Rücksicht nehmen.
Berlin gilt als ein Hotspot der Raserei. Die Zahl der illegalen Autorennen hat in der Hauptstadt in den vergangenen Monaten zugenommen. Die Justiz hat in diesem Jahr bereits rund 430 Verfahren eingeleitet. „Damit ist absehbar, dass die Zahlen höher sein werden als in den Jahren 2021 und 2022“, sagte der Oberamtsanwalt Andreas Winkelmann. Er leitet eine Spezialabteilung für verbotene Kraftfahrzeugrennen in Berlin.
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Für das gesamte Jahr 2022 hatten Amtsanwaltschaft und Staatsanwaltschaft 755 Verfahren wegen verbotener Kraftfahrzeugrennen eingeleitet (2021: 799). Die meisten Fälle gab es nach den Angaben bislang im Jahr 2020 mit 871 Fällen.

Die Entwicklung der Zahlen führt Winkelmann auch auf stärkere Kontrollen zurück: „Die Polizisten sind viel aktiver als früher und schreiten entschiedener ein.“ Erst am vergangenen Sonnabend gab es Geschwindigkeitskontrollen am Kurfürstendamm.
Messungen im Rahmen eines Forschungsprojektes ergaben zuletzt, dass dort überdurchschnittlich laute Autos und Motorräder unterwegs sind. Von Ende Mai bis zum 4. Juli hat ein sogenannter Lärmblitzer laut Senatsumweltverwaltung 1144 Fahrzeuge erfasst, die lauter als 82 Dezibel waren. Die Werte für normalen Straßenverkehr liegen demnach deutlich darunter. Der höchste gemessene Wert lag demnach bei 110 Dezibel – so laut wie etwa Presslufthämmer.

Kudamm ist der Hotspot der Raser in Berlin
Der Kudamm und der Tauentzien gelten als die Orte in Berlin, wo die meisten Raser sich illegale Rennen liefern. Ein Fall sorgte besonders für Aufsehen: Am 1. Februar 2016 lieferten sich Hamdi H. (damals 32) mit einem Audi A6 und Marvin N. (damals 29) mit einem AMG-Mercedes auf dem Kudamm ein Rennen. Mit Tempo 160 krachte an der Ecke Nürnberger Straße einer der Wagen in den Jeep von Michael W. (69). Der Rentner hatte keine Chance. Er war sofort tot. Der Unfallort glich einem Trümmerfeld.
Einer der Raser wurde später wegen Mordes verurteilt. Das Urteil sorgte für Diskussionen, es wurde angefochten. Doch 2020 urteilte der Bundesgerichtshof (BGH): Es war Mord. Wer mit seinem Auto durch die Innenstadt rast und einen Menschen tötet, kann wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt werden. Damit wurde das Urteil des Berliner Landgerichtes teilweise bestätigt. Gegen den zweiten Raser wurde aber das Urteil wegen Mordes aufgehoben. In einer neuen Verhandlung wurde der Mann zu einer Haftstrafe von 13 Jahren verurteilt – nur weil er mit seinem Auto nicht in den Jeep gekracht war.
Die Folge des tödlichen Kudamm-Rennens: Seit dem wird verstärkt wegen illegaler Autorennen ermittelt, dank einer Gesetzesänderung. Laut dem Chef der Berliner Spezialabteilung sind seit etwa sechs Jahren 3878 Verfahren (Stand: 30. Juni) wegen verbotener Kraftfahrzeugrennen eingeleitet worden. 1653 Fälle davon seien abgeschlossen, darunter seien 1026 Entscheidungen rechtskräftig, sagt Winkelmann.
Autorennen in Berlin: Die Raser sind zwischen 21 und 30 Jahre alt
Häufig wurden die Raser – meist junge Männer im Alter von 21 bis 30 Jahren – dabei zu Geldstrafen verurteilt. In 65 Fällen mussten erwachsene Täter aber auch ins Gefängnis, bei Jugendlichen war das zwölf Mal der Fall. Mit Bewährungsstrafen kamen 119 Erwachsene und sieben jugendliche Raser davon. Es gab 41 Freisprüche.

Aber nicht nur PS-Protze veranstalten Rennen. Nach einer statistischen Erhebung der Berliner Polizei würden Fluchtfahrten von Straftätern etwa ein Drittel aller Raser-Fälle ausmachen, schilderte Winkelmann. Ein klassischer Fall: Polizisten wollen den Fahrer eines sogenannten Kokstaxis, der über das Internet bestellte Drogen ausliefert, stoppen – und der versucht zu entkommen. „Da geht es den Leuten um etwas, darum gehen sie das Risiko ein“, so Winkelmann.
Im Oktober 2017 wurden verbotene Kraftfahrzeugrennen von einer Ordnungswidrigkeit zur Straftat hochgestuft. Seitdem kann schon die Teilnahme an solchen Rennen mit bis zu zwei Jahren Haft geahndet werden. Zuvor gab es nur Geldbußen. Der Paragraf 315d im Strafgesetzbuch sieht zudem bis zu zehn Jahre Gefängnis vor, wenn durch ein verbotenes Kraftfahrzeugrennen der Tod eines anderen Menschen verursacht wird. 2021 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass auch eine Fluchtfahrt vor der Polizei so bewertet werden kann.