Ausverkauf bei Karstadt in Berlin: Wie geht es nun weiter?
Im Kampf um den Erhalt der Karstadt-Kaufhof-Warenhäuser kommt den Vermietern eine Schlüsselrolle zu. Sie sollen Mietnachlässe gewähren, um die Kosten für den Kaufhaus-Betreiber zu senken. Für einige sieht die Zukunft ganz anders aus.

Ein Warenhaus-Konzern geht: Galeria Karstadt Kaufhof wird sich weitgehend aus der Stadt verabschieden. Von den mehr als 60 Kaufhäusern, die das Unternehmen bundesweit aufgeben will, steht jedes zehnte in Berlin. Sechs Filialen sollen schließen, fünf bleiben. Es wird in Berlin jeder zweite Karstadt-Kaufhof-Beschäftigte seinen Job verlieren. Insgesamt 1000 Arbeitsplätze stehen vor dem Aus.
Meist sind es Frauen von Anfang bis Mitte 50. Jene Verkäuferinnen, die bislang jede Entlassungsrunde der vergangenen Jahre überstanden haben. Da waren immer zuerst die jungen Leute betroffen, die nur eine kurze Betriebszugehörigkeit vorzuweisen hatten. Machen nun ganze Warenhäuser dicht, landen alle auf der Straße. Abfindung: eineinhalb Bruttogehälter. Ausverkauf bei Galeria Karstadt Kaufhof.
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Dass sie im Einzelhandel abseits der Lebensmittelsparte einen neuen Job finden, dafür standen die Chancen schon vor Corona schlecht. Jetzt sind sie fast aussichtslos. „Der Arbeitsmarkt ist leer gefegt“, weiß man bei der Handels-Gewerkschaft Verdi. Allenfalls an den Servicetheken von Supermärkten im Lebensmittelbereich würden noch Leute gesucht. Aber das ist nicht gerade der passende Job für eine ehemalige Kaufhausangestellte, die jahrelang Herrenoberbekleidung, Kochgeschirr oder Miederwaren verkauft hat. Im sogenannten Bereich Bekleidung, Elektro, Hartwaren hatten Berliner Handelsunternehmen bei der regionalen Arbeitsagentur im Mai gerade einmal 171 offene Stellen gemeldet.
Senat sichert Unterstützung zu
Aber noch sind die Filialen nicht geschlossen. Eigentlich gibt es dafür auch noch keinen Termin, und es könnte sogar sein, dass auf der Liste mit den zu schließenden Filialen bundesweit noch fünf bis zehn Adressen gestrichen werden. „Die Hoffnung stirbt zuletzt“, sagt Erika Ritter. Die Einzelhandelsexpertin von Verdi in Berlin setzt darauf, dass die Vermieter Zugeständnisse machen und Mietnachlass gewähren. „Wir machen Druck“, sagt sie. Inzwischen hat auch der Senat Unterstützung zugesagt. Zur Wochenmitte hatten sich der Regierende Bürgermeister und die Wirtschaftssenatorin per Brief an die Vermieter gewandt und um ein baldiges Gespräch gebeten.
Tatsächlich kommt den Eigentümern der Immobilien eine Schlüsselrolle in der Entscheidung über den Fortbestand einzelner Filialen zu. Die frühere Arcandor AG hatte unter Konzernchef Thomas Middelhoff vor Jahren viele Karstadt-Häuser verkauft, um die Konzern-Bilanz aufzuhübschen. Dann wurden die Häuser zu überzogenen Konditionen wieder angemietet. Daran kranke das Unternehmen heute noch, sagt Erika Ritter. In der Wilmersdorfer Straße etwa würden 18 Prozent des Umsatzes als Miete verlangt. „Da kann man noch so viel sparen, unter diesen Bedingungen hat Karstadt keine Chance“, sagt die Gewerkschafterin und hofft auf Entgegenkommen. „Wenn die Vermieter stur bleiben, haben sie bald gar keine Mieter mehr.“
Ist das so? Dirk Wichner ist ausgewiesener Kenner des Berliner Immobilienmarkts. Vom John-F.-Kennedy-Haus am Spreebogen in Mitte aus leitet er die Einzelhandelssparte des Immobiliendienstleisters John Lang LaSalle (JLL) und verantwortet bundesweit das Vermietungsgeschäft in Shoppingcentern und Einkaufsstraßen. „Leerstand erwarte ich nicht“, sagt Wichner. Gerade in Berlin stünden die Chancen, dass die Flächen wieder genutzt werden, „durch die Bank“ gut. „Es gibt ganz sicher Eigentümer, die längst ohne Karstadt planen“, sagt er.
Mietnachlässe der Eigentümer?
Bei den sechs Berliner Karstadt-Kaufhof-Filialen geht es insgesamt um eine Fläche von gut 73.000 Quadratmetern – etwa so viel wie zehn Fußballfelder. Bedarf dafür sei vorhanden, sagt JLL-Makler Wichner. Vor allem in Innenstadtbereichen sei die Nachfrage nach umbautem Raum nach wie vor groß. Wichner denkt dabei allerdings nicht zuerst an den Einzelhandel, sondern an Wohnungen, Büros oder Hotelzimmer. „Einzelhandel funktioniert nur noch ebenerdig“, sagt er.
Darüber hinaus sieht der Immobilienprofi einen wachsenden Bedarf im Bereich innerstädtische Logistik. Es geht um Zwischenlager, von denen aus Waren für den weiterhin wachsenden Versandhandel mit kleinen Fahrzeugen verteilt werden. In anderen Metropolen sei es längst nicht mehr üblich, dass Lkw-Verkehr in der City stattfindet, sagt Wichner. Gerade in Berlin sieht der JLL-Mann dafür einen großen Nachholbedarf und ein ehemaliges Kaufhaus mit hohen Decken, großer Traglast und zentraler Lage als sehr gut geeignet. Für Wichner gibt es eine ganze Reihe von möglichen Nutzungsarten. Ein neues Kaufhaus schließt er allerdings aus.
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Also keine Mietnachlässe der Eigentümer? Der Makler ist skeptisch. Er geht davon aus, dass jeder Eigentümer, der vor ein paar Jahren eine Kaufhaus-Immobilie übernommen hat, seitdem auch einen Plan für die Zeit nach dem Kaufhaus in der Schublade hat. Die Entwicklung im Kaufhausgeschäft sei schließlich nicht neu. Es gehe um Zukunftsfähigkeit. „Ich glaube nicht, dass jemand einen Nachlass gewährt, um in ein, zwei Jahren vor dem gleichen Problem zu stehen.“
Der Hamburger Shoppingcenter-Betreiber ECE, der allein in Berlin insgesamt elf Shoppingmalls bewirtschaftet – darunter die Potsdamer-Platz-Arkaden, das Gesundbrunnen-Center oder Eastgate – ist gleich zweifach betroffen. Das Unternehmen vermietet die Galeria-Kaufhof-Filialen im Hohenschönhausener Linden-Center und im Ring-Center an der Frankfurter Allee. Beide sollen geschlossen werden. Auf Nachfrage erklärte ECE, dass man in den letzten Wochen „sehr weitreichende Lösungsangebote“ erarbeitet habe, um Standortschließungen in den Centern zu vermeiden. Mehr könne man nicht sagen.
Eigentümer Redevco bietet „konstruktive Gesprächen“
Die größte Filiale auf der Schließungsliste für Berlin ist das Haus in der Wilmersdorfer Straße Nummer 118. Etwa 450 Leute arbeiten dort. Vermieter ist die Immobiliengesellschaft Redevco, ein Tochter-Unternehmen des niederländischen C&A-Konzerns, das Immobilien im Gesamtwert von 7,5 Milliarden Euro verwaltet. Redevco hatte die Immobilie 2016 von einem Fonds übernommen. Nach eigenem Bekunden wurde das Objekt mit einem bereits bestehenden Mietvertrag gekauft und dieser nicht selbst verhandelt. Wenngleich sich nun auch die Berliner Politik parteiübergreifend für den Fortbestand speziell dieses Hauses starkmacht und im dortigen Umfeld existenzielle Schwierigkeiten unter Einzelhändlern erwartet, darf man davon ausgehen, dass der Vermieter mit einer Zukunft ohne Karstadt wenigstens liebäugelt.

Nicht nur, dass das Mutterunternehmen C&A erst im Februar seine Filiale in der Wilmersdorfer Straße 124 geschlossen hatte, Redevco baut seit einiger Zeit sein Portfolio grundlegend um und hat den Anteil des Modeeinzelhandels im Vermietungsgeschäft in den vergangenen Jahren bereits auf 25 Prozent reduziert. Im März hatte CEO Andrew Vaughan angekündigt, das Geschäft auf neue Immobiliensektoren auszuweiten und nannte explizit Büros und Last-Mile-Logistik.
Auch künftige Investitionen würden sich weitgehend auf gemischt genutzte urbane Standorte konzentrieren, so Vaughan, die Grenzen zwischen den verschiedenen Immobilienanlageklassen immer mehr verschwimmen. Redevco werde vermehrt Flächen an Mieter außerhalb der traditionellen Einzelhandelsmarken vergeben.
Auf Anfrage teilte Redevco mit, dass man seit Wochen in „konstruktiven Gesprächen“ mit Karstadt stehe und „substantielle Zugeständnisse“ angeboten habe. Den Standort Wilmersdorfer Straße halte man grundsätzlich für hervorragend und sehe Entwicklungspotential. „Sollte das Objekt tatsächlich verfügbar werden, werde man genau analysieren, was bei dem Objekt optimiert werden kann“, so eine Sprecherin.