Tödliche Corona-Ausbrüche

Ausgerechnet Weihnachten: Pflegeheime stoßen an ihre Grenzen

Die Einrichtungen in Berlin und Brandenburg sind Corona-Hotspots. Warum trifft es diese Heime so schlimm?

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Besuch ohne Risiko: Ein Fenster trennt eine Angehörige und einen Heimbewohner, um diesen nicht anzustecken. 
Besuch ohne Risiko: Ein Fenster trennt eine Angehörige und einen Heimbewohner, um diesen nicht anzustecken. Christophe Gateau/dpa

Die Einrichtungen in Berlin und Brandenburg sind Corona-Hotspots. Warum trifft es diese Heime so schlimm?

Als im Oktober in einem Pflegeheim in Lichtenberg Corona ausbrach und 15 Menschen binnen von fünf Wochen starben, warnten Ärzte und Pfleger, dass dies erst der Anfang sei. Und in der Tat: Die traurige Serie setzte sich fort.

Laut Berliner Gesundheitsverwaltung infizierten sich bis zum Ende der vergangenen Woche bislang 3425 Bewohner. Das waren 1500 mehr als noch zwei Wochen zuvor. 295 Einrichtungen waren betroffen. 492 Menschen starben. Das sind mehr als die Hälfte der inzwischen über 1000 Covid-19-Toten in Berlin. Außerdem wurde das Virus inzwischen bei mehr als 1.000 Pflegekräften nachgewiesen.

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In Brandenburgs Pflegeheimen spitzt sich die Lage ebenso zu - dort machen Corona-Infektionen beim Personal zu schaffen. „Wir brauchen dringend Fach- und Hilfskräfte aus der Pflege, um die Dienste sicherstellen zu können“, sagte Anne Baaske, Geschäftsführerin der AWO Brandenburg. „Corona hat Brandenburg ganz fest im Griff.“ Und das ausgerechnet Weihnachten.

Pflegeheime trifft es in dieser zweiten Corona-Welle besonders schlimm. Dabei erhalten gerade diese Einrichtungen seit Frühjahr vorrangig Schutzausrüstungen, Masken und seit Oktober auch Schnelltests für Mitarbeiter, Patienten und Besucher. Außerdem sind Mitte Dezember die Regeln noch einmal verschärft worden. Seitdem ist der Corona-Test für alle Mitarbeitenden alle zwei Tage verpflichtend. Besucher müssen ein negatives, maximal 24 Stunden altes Testergebnis vorweisen und beim Besuch verpflichtend eine FFP2-Maske tragen. Es darf nun auch nur noch täglich eine Person eine Stunde lang zu Besuch kommen. Außerdem sollen die Bewohner von Pflegeheimen ab Sonntag vorrangig geimpft werden.

In Heimen leben Bewohner und Mitarbeiter auf sehr engem Raum, die Isolation von Infizierten ist oft schwierig. Und Risikopatienten sind es ja alle.

Heike Prestin, Diakonie Deutschland

Heike Prestin, Referatsleiterin Altenhilfe, Pflege, Hospiz bei der Diakonie Deutschland, versucht, eine Erklärung zu finden: „Wir sehen in den Heimen leider mehr Auswirkungen von Covid-19, weil das Virus gerade unter alten Menschen eher ausbricht als unter anderen Menschen. Das Virus ist hochansteckend. In Heimen leben Bewohner und Mitarbeiter auf sehr engem Raum, die Isolation von Infizierten ist oft schwierig. Und Risikopatienten sind es ja alle.“

Und auch die Pfleger und Angehörigen lebten nicht in einem abgeschlossenen Raum. Sie haben Familien, viele fahren mit den öffentlichen Verkehrsmitteln und gehen einkaufen.  Hinzu komme, dass der Betreuungsschlüssel in Pflegeheimen sehr hoch sei, so die gelernte Krankenschwester. „Es kann mitunter passieren, dass eine Pflegerin 20 Bewohner gleichzeitig betreut. Und manchmal fehlt schlichtweg die Zeit – für korrekte Schutzmaßnahmen oder die Isolation von Kranken.“ Corona lege die Schwachstellen des Systems offen, sagt Heike Prestin. „Wir haben seit Jahren einen Pflegenotstand. Jetzt sehen wir die Auswirkungen besonders deutlich.“

Die Diakonie befragte Mitte Oktober 1500 Mitarbeiter über den Umgang mit Corona. 70 Prozent antworteten, dass eigentlich dringend benötigte Kollegen in Quarantäne mussten. Und 23 Prozent der Beschäftigten hätten Kontakt zu erkrankten Pflegebedürftigen gehabt. Auch in anderen Einrichtungen arbeiteten viele Pfleger trotz Symptomen weiter.