Aus für Traditionsgeschäft auf der Schönhauser Allee – das Blumencafé muss schließen
Die beiden Papageien Arno und Charlie kommen in einer Auffangstation für Papageien in Brandenburg unter.

Es gab da einen Laden auf der Schönhauser Allee, den kannten alle. Die Touris kannten das Blumencafé aus ihrem Reiseführer, der Penner von nebenan, weil der Chef ihm ab und zu eine Zigarette gab. Die Reichen kamen, weil sie hier außergewöhnlich schöne Blumensträuße gebunden bekamen. Die Mütter im Kiez pilgerten in das Café mit Blumengeschäft wegen der beiden Papageien Arno und Charlie, die hier krächzten. Die Alten im Kiez trafen sich bei Kaffee und Kuchen. Dass dabei ganz moderne Musik aus den Lautsprechern schallte, war egal. Hier durfte und sollte sich jeder willkommen fühlen. Reich, arm, jung, alt. Blumen sprechen eine andere Sprache.

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Ich schreibe diesen Text in der Vergangenheitsform, weil das Blumencafé seit Dienstagabend Geschichte ist. 30 Jahre auf der Schönhauser, da wird man zur Institution und wenn so eine schließt, muss ihr Ende standesgemäß mit Tränen und Sekt nicht gefeiert, aber dennoch würdig begangen werden.
Heimlich zuschließen, das ist nicht Michael Schaarschmidts Sache. Also steht er am Dienstag aufrecht und mit elegantem Halstuch zwischen denen, die noch ein letztes Mal Tschüss sagen und blickt gefasst in die Zukunft.
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Neue Pläne nach dem Aus des Blumencafés
Bis zum Schluss hatte der Chef versucht, sein einzigartiges Schiff doch noch durch die schweren Wasser der letzten Jahre zu steuern. Erst wühlten ihn Querelen wegen einer Räumungsklage auf, dann kam die lange Schließung wegen Corona, Personalmangel in der Gastronomie und zum Schluss auch noch steigende Preise für Energie und Blumen. Die ganze große Gemengelage hat dafür gesorgt, dass Schaarschmidt „kurz vor Hosenknopf“ entschied, den Laden zu schließen. Auch mit Erleichterung, dass es nur kleine Blessuren sind, mit denen alle hier rausgehen, aber mit einem riesengroßen Berg voller guter Erinnerungen, der angehäuft wurde.

Es muss ja weh tun, wenn man mit seiner Arbeit Menschen berührt und zusammengebracht hat. Die Kunden kommen und verabschieden sich am letzten offenen Tag, viele haben Tränen in den Augen. Jutta (86) kennt den Laden noch aus der Zeit, als er noch auf der anderen Seite der Schönhauser Allee begann. „Ich muss ihn nochmal drücken“, sagt die alte Dame und kauft zur Erinnerung eine kleine Pflanze im Topf. Als sie von der Schließung gehört habe, musste sie weinen. Im Gästebuch haben sich all die Kunden und Freunde eingeschrieben. Ein Loch auf der Schönhauser, ein Loch im Alltag hinterlasse der Laden.

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„Es geht einfach nicht mehr“, sagt Chef Michael Schaarschmidt. Würdig will er sein Geschäft, das seit Jahrzehnten ein Stückchen der Allee prägte, zu Ende führen.
„Alle Mitarbeiter, vor Corona waren es 20, sind gut untergekommen“ sagt Michael Schaarschmidt. Sie werden den Geist, die Haltung, die hier herrschte, in alle Welt tragen: Respekt vor der Natur und vor den Menschen. Selbst für die beiden Papageien Arno und Charlie ist ein Platz in der Papageienschutzanlage Pappagalli in Lehnin gefunden.

Mit Michael Schaarschmidt geht ein Mann mit Haltung. Den Ausverkauf in der Branche, die zerstörerische Industrie, mit der billige Pflanzen in armen Ländern wie Kenia und Äthiopien produziert werden, die will Schaarschmidt nicht unterstützen. Blumen mit Pflanzenschutzmitteln, die hier verboten sind, weit weg in anderen Ländern produzieren, das müsste verboten werden. „Sowas stelle ich mir nicht in den Laden“, so Schaarschmidt.
Lieber geht er einen neuen Weg. Schaarschmidt wird mit dem Bestatter Eric Wrede zusammenarbeiten und Trauerfloristik anbieten. „Da werde ich anspruchsvoll gefordert“, sagt er. Arno und Charlie, vor 23 Jahren in der Lychener Straße geschlüpft, werde er regelmäßig in ihrem neuen Zuhause besuchen. Sie haben im besten Fall drei Viertel ihres Lebens noch vor sich.

„Insgesamt hatte ich eine schöne Zeit. Ich habe den Wandel im Bezirk mit begleitet“, erzählt Michael Schaarschmidt. Und natürlich gehe er auch mit schwerem Herzen.
Es gab da mal ein Café auf der Schönhauser, einen Dschungel, eine Oase neben den vorbeirauschenden Autos, da gediehen Herzlichkeit und Schönheit. Wer nun das grüne Auto mit der Aufschrift „Blumizei“ durch die Stadt fahren sieht, der wird sich gerne daran erinnern.