Polen hatte im vergangenen Winter schon Zeltstädte für ukrainische Flüchtlinge aufgebaut.
Polen hatte im vergangenen Winter schon Zeltstädte für ukrainische Flüchtlinge aufgebaut. Imago/Independent Photo Agency Int.

Es hört sich nach Dritte-Welt-Land an: Berlin plant wegen steigender Flüchtlingszahlen zur Unterbringung der Neuankömmlinge den Aufbau einer Zeltstadt und von Leichtbauhallen – und das im bevorstehenden kalten Berliner Winter. Das Tempelhofer Feld ist einer der möglichen Standorte. Bekommen wir jetzt Bilder wie aus den Flüchtlingslagern in Afrika?

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Berlin will bis Jahresende 8000 bis 10.000 neue Unterkunftsplätze für Flüchtlinge schaffen. Darauf habe sich der Senat angesichts des aktuellen Ankunftsgeschehens verständigt, sagte Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) am Dienstag nach einer Sitzung der Senatorenrunde. Die Akquise laufe auf Hochtouren. Gesucht würden inzwischen auch Freiflächen zur Errichtung von Großraumzelten und Leichtbauhallen.

In „sehr kurzer Zeit“ müsse „eine große Zahl“ von Notunterkünften her, um die Lage kurzzeitig etwas zu entschärfen, heißt es in einem Papier von Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) an den Senat. Damit solle „die akute Obdachlosigkeit von Geflüchteten“ abgewendet werden. 

Kipping hat daher die zweite Stufe ihres Notfallplans ausgerufen, wie ihr Sprecher dem RBB bestätigte. Dadurch soll es möglich sein, die Verfahren bei der Akquise neuer Unterkünfte zu beschleunigen.

Vier landeseigene Flächen kommen für die Zeltlager infrage – darunter das Tempelhofer Feld

Als mögliche Standorte habe ein im Oktober eingerichtetes Projektteam mehrere landeseigene Flächen ausgemacht. Genannt werden in dem Papier der Zeitung zufolge das Tempelhofer Feld, der Olympiapark, das Messegelände sowie Freiflächen auf dem früheren Flughafen Tegel. Dort könnten jeweils mindestens 2000 Menschen in Zeltstädten untergebracht werden. Die dafür nötigen Großzelte sind bereits im Frühjahr für die Ukraine-Flüchtlinge angeschafft worden, würden derzeit aber nicht genutzt.

Wird auf dem Tempelhofer Feld jetzt eine Zeltstadt für Flüchtlinge aufgebaut?
Wird auf dem Tempelhofer Feld jetzt eine Zeltstadt für Flüchtlinge aufgebaut? Imago/Friedrichs

Das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) sei „nicht in der Lage, den außerordentlich starken Anstieg“ an Asylbewerbern und den steigenden Bedarf für Ukraine-Flüchtlinge „in der notwendigen Geschwindigkeit abzudecken“, heißt es in dem Papier weiter.

Es stünden „nicht genügend Plätze für die Unterbringung zur Verfügung“, trotz zusätzlicher „Akquise, Verlängerung von Laufzeiten, Verdichtung, Hotelanmietung“. Das LAF hat den Angaben zufolge mit 28.000 Unterkunftsplätzen die höchste Kapazität seit seiner Gründung Mitte 2016. Am Freitag seien noch 150 Plätze frei gewesen.

Kipping appellierte an die Bundesregierung, schnell beziehbare Liegenschaften in der Hauptstadt zur Verfügung zu stellen. Sie hoffe da „auf Bewegung beim Bund“. Alle seien sich im Senat einig, dass es nicht wie 2015/2016 zu einer erneuten Belegung von Turnhallen durch Flüchtlinge kommen soll.

Im Oktober kamen pro Tag 100 Flüchtlinge – vor allem aus Syrien, Georgien und der Türkei

In den ersten zehn Monaten dieses Jahres registrierte das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) rund 97.000 Zuwanderer, darunter rund 85.500 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Im Vergleich dazu zählte Berlin bei der großen Fluchtbewegung 2015 rund 55.000 Asylsuchende, 2016 knapp 17.000, wie LAF-Sprecherin Monika Hebbinghaus sagt.

Allein in diesem Oktober seien 1.723 Asylsuchende registriert worden. Im Moment gebe es mehr Ankünfte als zeitgleich an neuen Unterkunftsplätzen gefunden werde. Dadurch kommt es zu längeren Wartezeiten für die Registrierung, wie aus einer Antwort des Senats auf eine AfD-Anfrage hervorgeht. Dazu kamen noch Flüchtlinge aus der Ukraine, deren Zahl aber monatlich nicht genau erfasst werden kann.

Trotz isolierter Zelte: Ein Berliner Winter in so einer Unterkunft ist vor allem für Kinder hart.
Trotz isolierter Zelte: Ein Berliner Winter in so einer Unterkunft ist vor allem für Kinder hart. Imago/Independent Photo Agency Int.

Anfang November sprach Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) dann bereits von täglich 150 Asylbewerbern und 150 Ukrainern – das entspricht dem Niveau von 2015. Die Zahlen würden im Winter weiter steigen, erwartet Giffey.

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Durch den verstärkten Andrang waren am Stichtag 26. Oktober rund 1000 Asylbewerber nicht registriert, erklärt der Senat. Die meisten Asylbewerber im September kamen aus Syrien (355), es folgten Georgien (239), Türkei (223), Afghanistan (193) und Moldau (135).