Am Mittwoch begann der Prozess vor dem Landgericht
Auch ein Stasi-Offizier mischte mit: Berliner Bande schmuggelte tonnenweise Kokain nach Deutschland und verdiente Millionen damit
Der Drogenschmuggel wurde in Berlin und dem Umland geplant und koordiniert. Dazu kommt Corona-Subventionsbetrug.

Am Anfang stand ein riesiger Kokain-Fund in Brasilien. 690 Kilo Kokain im Wert von 140 Millionen Euro, versteckt in einem Schiffscontainer im Hafen der brasilianischen Stadt Santos, adressiert an eine Berliner Firma. Am Ende steht der Prozess gegen zehn Männer im Alter von 33 bis 63 Jahren, der heute um 9.30 Uhr vor dem Landgericht Berlin begonnen hat. Gegen Männer, die mit dem Drogenschmuggel viele Millionen verdient haben.
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Mehr als vier Tonnen Kokain soll eine mutmaßliche Drogenbande von Südamerika über den Hamburger Hafen nach Deutschland geschmuggelt haben. Gegen zehn Männer im Alter von 33 bis 63 Jahren hat der Prozess am Mittwoch vor dem Landgericht Berlin begonnen. Die illegalen Geschäfte sollen laut Staatsanwaltschaft über ein Geflecht von Scheinfirmen abgewickelt und das Rauschgift per Seecontainer transportiert worden sein.
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Für vier Angeklagte kündigten deren Anwälte Aussagen zu einem späteren Zeitpunkt an. Der Verteidiger eines 37-Jährigen erklärte, die Vorwürfe seien „in vielerlei Hinsicht nur Konstrukt und Hypothesen“.
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Drei Angeklagte haben mit dem Drogenschmuggel 9,3 Millionen Euro verdient
Es geht in dem Prozess um insgesamt 16 mutmaßliche Schmuggelfahrten in der Zeit vom Sommer 2011 bis zum Sommer 2021. Die Drogen sind laut Anklage in hohlen, eigens dafür angefertigten Metallplatten versteckt worden.
Seit 2012 hätten unter anderen mehrere Seecontainer mit jeweils mehreren Hundert Kilogramm Kokain aus Brasilien über den Hamburger Hafen Deutschland erreicht. Drei mutmaßliche Haupttäter, die seit 2011 als Bande agiert haben sollen, haben laut Ermittlungen rund 9,3 Millionen Euro erlangt.
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Die drei Hauptangeklagten sollen an 15 Taten beteiligt gewesen sein. Vor August 2011 hätten sie sich zu einer Bande zusammengeschlossen, heißt es in der Anklage. Ihr Plan sei gewesen, „zum Zweck der Verschleierung ihrer wahren Absichten zunächst ein Unternehmen zu gründen, über das die Einfuhr der Betäubungsmittel – unter der Legende legaler Importgeschäfte – in die Bundesrepublik Deutschland erfolgen sollte“.
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Mehr als 40 Gebäude wurden durchsucht und 14 Haftbefehle vollstreckt
Ein weiterer Angeklagter habe in einigen Fällen Hilfe geleistet, indem er ein von ihm geführtes Netzwerk an Scheinfirmen zu Abrechnungszwecken zur Verfügung gestellt habe, so die Staatsanwaltschaft. Weitere Angeklagte hätten sich 2019 und 2020 der Gruppierung angeschlossen. Alle Beschuldigten sind in Untersuchungshaft.
Die Berliner Staatsanwaltschaft und das Bundeskriminalamt (BKA) waren am 30. November 2021 mit Durchsuchungen im In- und Ausland gegen die mutmaßliche Bande vorgegangen. Mehr als 40 Gebäude wurden durchsucht und 14 Haftbefehle vollstreckt. Insgesamt sprachen die Ermittler damals von 28 Verdächtigen im Alter von 22 bis 62 Jahren. Allein in Berlin wurden zehn Verdächtige festgenommen.
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Neben den überwiegend deutschen Tatverdächtigen sollen türkische, griechische, irakische, georgische, ukrainische, lettische und kolumbianische Staatsangehörige beteiligt gewesen sein. Ermittelt wurde unter anderem wegen bandenmäßigen Kokainhandels und wegen Geldwäsche, der Einsatz richtete sich gegen mehrere mutmaßliche „Logistiker“ des Kokainverkehrs zwischen Lateinamerika und Europa und zwei mutmaßliche kolumbianische Lieferanten.

Im Zuge der Razzien wurden bei acht Beschuldigten Vermögen in Höhe von über 14 Millionen Euro beschlagnahmt. Die Ermittler gehen davon aus, dass die Bande sich mindestens seit dem Jahr 2011 zusammengeschlossen hatte, um über in Deutschland installierte Scheinfirmen Kokain nach Deutschland zu schmuggeln. Dabei sollen die Beschuldigten die komplette für den Rauschgifttransport benötigte Logistik bereitgestellt haben.
Ein ehemaliger Stasi-Offizier half bei der Geldwäsche
Nach der Sicherstellung des Drogenfunds im Jahr 2018 tauchte die Gruppe zunächst ab, wie das BKA mitteilte, war dabei aber nicht untätig. Die Männer bauten neue Transportwege über Kolumbien, Panama und Mexiko nach Europa mit dem Ziel auf, neue Routen für illegale Kokaintransporte zu etablieren. Das Vorhaben der Gruppierung soll den Ermittlungsergebnissen zufolge darauf ausgerichtet gewesen sein, Großlieferungen von mehreren Tonnen Kokain durchzuführen. Der Kokainschmuggel wurde konspirativ über ein Geflecht von Scheinfirmen abgewickelt und verschleiert.
Die Bande verdiente aber nicht nur mit Kokshandel ihr Geld. Die Beschuldigten sollen ihre Scheinfirmen auch zur betrügerischen Erlangung von Corona-Subventionen genutzt haben. Über mehrere Jahre wurden über dieses Firmengeflecht zudem die illegal erlangten Gelder gewaschen, unter anderem sollen ein ehemaliger MfS-Offizier und die Niederlassung eines Kölner Versicherungskonzerns in Kreuzberg beteiligt gewesen sein.
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Den Ermittlern zufolge nutzte die Bande zur Kommunikation den kanadischen Krypto-Messengerdienst Sky ECC. Es ist der erste Prozess in Berlin, bei dem dieses verschlüsselte Kommunikationssystem eine Rolle spielt. Bislang ging es vor allem um Fälle, bei denen entschlüsselte Daten aus dem Messengerdienst Encrochat eine Rolle spielen.
Die Polizei kam den Schmugglern über den Verschlüsselungsdienst Sky ECC auf die Spur
Im Frühjahr hatte es erste Berichte gegeben, dass die EU-Polizeibehörde Europol Ende 2020 die Verschlüsselung von Sky ECC geknackt und viele Millionen Chatnachrichten von Nutzern aus der ganzen Welt gesichert habe. Die Systeme galten zunächst als nicht entschlüsselbar und waren deshalb bei Kriminellen sehr beliebt.
Der Datenbestand des Verschlüsselungsdienstes Sky ECC soll bis zu viermal so groß sein wie der schon bekannte Encrochat-Fund. Auf die Strafjustiz rolle bereits eine zweite, noch größere Verfahrenswelle zu. Bislang habe es bei der Berliner Staatsanwaltschaft 14 Verfahren gegeben, in denen Daten von Sky ECC eine Rolle spielten, sagt ein Sprecher auf Anfrage.
Im Vergleich zu den Encrochat-Verfahren sei die Zahl bislang noch überschaubar. Im Fall der mutmaßlichen Kokainschmuggler gehörten Observationen und Telefonüberwachungen zu den Ermittlungen, die laut BKA über zwei Jahre gingen.
Für den Prozess wegen bandenmäßigen Handels mit Betäubungsmitteln beziehungsweise Beihilfe dazu sind mehr als 30 Verhandlungstage bis Ende Januar 2023 geplant.