Anklage gegen Berliner Ärzte: Narkotisiert, nicht operiert, aber kassiert
Die Staatsanwaltschaft klagt einen Schöneberger Internisten und einen Narkose-Arzt an, die Operationen vortäuschten und in Rechnung stellten

Dieser Fall wird das Vertrauen in ehrenhaftes ärztliches Verhalten erschüttern: Ein Internist (72) und ein Anästhesist (67) sollen in 1052 Fällen für Operationen kassiert haben, die gar nicht stattgefunden hatten. Die Patienten wurden, so sagt es jedenfalls die Staatsanwaltschaft, lediglich narkotisiert und glaubten, operiert worden zu sein. Teilweise mehrfach.
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Der Anästhesist soll insgesamt 714 Rechnungen mit einem Gesamtwert von 137.623 Euro für die mangels eines echten Eingriffs nicht notwendigen Narkoseleistungen gestellt haben. Der Internist soll an die Privatpatienten 1050 Rechnungen für die nicht erfolgten Operationen verschickt haben, insgesamt rund 1,05 Millionen Euro.
Eine Bande in Weiß, hofft die Staatsanwaltschaft beweisen zu können
Gegen die Mediziner und die Arzthelferin (55) des Internisten – die auch seine Lebensgefährtin ist – wurde jetzt Anklage wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung und des banden- und gewerbsmäßigen Betrugs erhoben.
Der Schwindel, so die Beschuldigung, soll zwischen Januar 2013 und Juni 2018 in der Schöneberger Praxis des Internisten abgelaufen sein. Privatpatienten mit Beschwerden der Speiseröhre, vor allem Sodbrennen, redete er ein, sie hätten ein sogenanntes „Barrett-Syndrom“.
Internist gaukelte Patienten eine Krebsgefahr vor
Das sei eine mögliche Vorstufe einer Krebserkrankung und mache eine ambulante Operation unter Vollnarkose erforderlich.
Der Anästhesist kam dann zur OP in die Praxis, betäubte die Patienten, die aber nicht operiert wurden. Denn sie hatten gar kein Barrett-Syndrom.
Da vor diesem Hintergrund auch die Einwilligung der Patienten in die Maßnahmen unwirksam war, wertet die Staatsanwaltschaft diese 1052 Fälle jeweils als gefährliche Körperverletzung.
Zivilklage einer Patientin ließ den mutmaßlichen Schwindel platzen
Aufgeflogen war das mutmaßlich kriminelle Trio wegen der Zivilklage einer Patientin, die Lunte gerochen hatte. Bei ihr wurden keine OP-Narben gefunden, und der Internist wurde von der Staatsanwaltschaft befragt. Dabei verstrickte er sich offenbar in Widersprüche.
Erst behauptete er, mit einem Laser operiert zu haben, dann erklärte er, sogenannte „Einmal-Sonden mit Goldspitze“ eingesetzt zu haben. Dumm nur, dass bei der Überprüfung seiner Bestellungen für die Praxis herauskam, dass er viel weniger dieser Sonden gekauft hatte als für die vielen Operationen nötig gewesen wäre.