Amira, Berlins vergessene Löwenkönigin
Die 16 Jahre alte Dame lebt seit 2018 im Zoo im Verborgenen.

Vor fünf Jahren gab es im Zoo das letzte Mal ein Löwenrudel zu sehen. Doch nun tobt auf der historischen Anlage von 1936 wieder das wilde Raubkatzenleben. Seit Montag haben die drei jungen Löwen Elsa, Hanna und Mateo, die aus Leipzig ankamen, das gerade sanierte Außengehege erobert. Für die Berliner herrscht damit im Zoo endlich wieder der König der Tiere. Dabei war er von dort nicht wirklich verschwunden. Denn es gibt noch einen Vertreter aus jener alten Löwen-Dynastie, der im Zoo nur noch im Verborgenen lebt.
Mit etwas Glück können Besucher das Tier noch hören, wenn ab und an das Gebrüll von Amira ertönt – Berlins vergessener Löwenkönigin. Ihre Rufe hört man gelegentlich in der Nähe der Bärenanlage. Hinter dem Gehege hat Amira vor zwei Jahren ihr jetziges Quartier bezogen, das von Besuchern nicht einsehbar ist.
Daher verschwand sie auch aus dem Gedächtnis der Berliner. Der Grund für den Löwen-Umzug war damals der beginnende Umbau des Raubtierhauses. Nächstes Jahr soll es als „Reich der Jäger“ mit Sibirischen Tigern, Jaguaren und auch Löwen neu eröffnet werden. Doch Amira wird nicht einziehen.

Es liegt an ihrem Alter. Und das ist mit 16 Jahren für einen im Zoo lebenden Löwen schon recht stattlich. Die rüstige Löwenkönigin Amira (der aus dem Arabischen stammende Name bedeutet „Prinzessin“) genießt die Abgeschiedenheit ihres jetzigen Reviers. „Sie schläft sehr viel und steht unter genauer Beobachtung ihrer vertrauten Tierpfleger“, sagt Zoo-Sprecherin Katharina Sperling. „Nach längerer Beratung kamen unsere Tierärzte und Kuratoren zu dem Schluss, dass man Amira mit einem Umzug in das Raubtierhaus oder in einen anderen Zoo keinen Gefallen tun würde.“
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Daher plant der Zoo auch kein Zusammentreffen zwischen dem neuen Löwen-Trio und der alten Löwenkönigin. In der Vergangenheit scheiterten mehrere Versuche, Amira mit anderen Artgenossen zusammenzubringen, so die Zoo-Sprecherin.
Im Tierpark wird es noch einige Zeit dauern, bis man dort wieder Löwen zu sehen bekommt. 2016 zogen in Friedrichsfelde die letzten Könige der Tiere aus dem Alfred-Brehm-Haus. Die drei indischen Löwen kamen in Zoos in Ungarn, den Niederlanden und Frankreich.
Die Umgestaltungspläne für den Tierpark sehen vor, dass die Großkatzen in der künftigen Afrika-Welt gezeigt werden. Doch vor dem Bau der großen Löwenanlage starten erst einmal die Arbeiten für das neue Elefantenhaus und der dem Himalaya nachempfundenen Gebirgswelt. „Auch mit Hinblick auf die aktuelle Corona-Situation gehen wir davon aus, dass sich die Besucher noch ein paar Jahre gedulden müssen, bis sie wieder Löwen im Tierpark erleben können“, sagt Sprecherin Sperling.

Während der König der Tiere in den Berliner Tiergärten ein neues, artgerechtes Zuhause bekommt, verdrängt der Mensch den Löwen in der Wildnis immer mehr aus dessen Lebensraum. Einst erstreckte sich dieser über Afrika, den Nahen Osten und Asien, so Roland Gramling, Sprecher des WWF Deutschland. Heute findet man die Großkatze nur noch in wenigen Regionen Afrikas und in Indien. „Etwa 20.000 Löwen gibt es in der freien Wildbahn“, sagt er. Damit gehört die Raubkatze zu den bedrohten Tierarten.

Löwen wurden nicht nur Opfer von Großwild- und Trophäenjägern, der Mensch nimmt den Tieren immer mehr Lebensraum. So legen zum Beispiel afrikanische Bauern mehr Felder an, Büffel, Zebras, Antilopen meiden diese Gebiete – und damit verschwinden auch die Löwenrudel, da sie ihren Beutetieren folgen. Auf ihren Jagdzügen kommen die Raubkatzen aber immer wieder in die Nähe menschlicher Siedlungen, angelockt von den Herden der dort gehaltenen Nutztiere. „Um ihre Tiere zu schützen, erschießen die Bewohner die Räuber oder vergiften die Löwen mithilfe von Fleischködern“, sagt der WWF-Sprecher.