300 Jahre Späth'sche Baumschulen
Alt wie ein Baum
Sie ist die älteste Baumschule Deutschlands und das älteste existierende Gewerbe der Stadt. Die Späth' sche Baumschule ist eng mit Berlin verwachsen. Jetzt feiert sie ihren 300. Gründungstag und blickt in einen ungewisse Zukunft.

Sie gab einer S-Bahnstation ihren Namen und einem Ortsteil von Treptow-Köpenick. „Baume“, sagen eingefleischte Berliner zu dem Ort, an dem sich einst die größte Baumschule der Welt befand. Von der Späth’schen Baumschule aus wurden einst begehrte Züchtungen in großen Holzkisten mit Bäumen und Sträuchern bis nach Übersee verschifft. Am 11. September 1720 – vor genau 300 Jahren – wurde Berlins ältestes Gewerbe erstmals urkundlich erwähnt. Ein kleines Wunder, dass hier noch immer Bäume für die Zukunft einer weiter wachsenden Stadt gezüchtet werden.
300 Taler, erbeten von den Eltern, die als Gärtner im aufstrebenden Berlin zu etwas Wohlstand gekommen waren, musste der junge Christoph Späth im Jahr 1720 hinlegen, um vor dem Halleschen Tor ein Grundstück zu erwerben. Dort, am Johannistisch wollte der 25-Jährige die Obst- und Gemüsegärtnerei seiner Eltern weiter führen. Neben der Blumenzucht von Tulpen, Nelken, Aurikeln und Ranunkeln betrieb er auch den Anbau von Gemüse. Außerdem hielt er Milchkühe, so steht es in einem prächtigen Jubiläumsband, der die Geschichte der Späth’schen Baumschule erzählt und pünktlich zu ihrem 300. Jahrestag erschienen ist.
Man erfährt auch, dass die Späth’schen Baumschulen heute das älteste produzierende Unternehmen Berlins sind. Neben der S-Bahnstation Baumschulenweg sind die Späthstraße, die Baumschulenstraße und die Siedlung Späthsfelde nach den Späths benannt. Über Generationen prägten sie das Berliner Stadtgrün. Hilfreich dabei waren ihre guten Beziehungen zum Preußischen Königshaus.
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Der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. etwa, ein großer Gemüseesser, pflegte nach militärischen Besichtigungen auf dem Tempelhofer Feld, damals ein Exerzierplatz, vor der Gärtnerei Späth abzusteigen und eigenhändig Möhren aus den Beeten zu ziehen. Mit Vitamin B ging schon damals alles leichter.
Christoph Späths Sohn Carl durfte als Gartengeselle in die Charlottenburger Hofgärtnerei in die Lehre gehen und war dort mit der Pflege und dem Schnitt der von Friedrich II. geliebten Kastenlinden betraut. 1746 übernahm Carl Späth den elterlichen Betrieb und bezog 1760 den zweiten Standort an der damals noch unbebauten Köpenicker Straße in der Berliner Luisenstadt.
Wie überall auf der Welt bewegte sich die Gärtnerei über die Jahrhunderte mit der wachsenden Stadt entlang der Peripherie. Wächst die Stadt, ziehen Betriebe, die Fläche brauchen, weiter ins Umland. So entstand auch der dritte Firmensitz, der bis heute für die Späth’schen Baumschulen steht.
1864 verlegte Franz Späth den Betrieb auf die Britzer und Rudower Wiesen – den heutigen Stadtteil Baumschulenweg. Ein staubiger Weg führte dort hin, von wo aus Franz Späth die Firma in wenigen Jahren von einer Gärtnerei zur Baumschule entwickeln sollte. Wer wagt, gewinnt: Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts war Späth die größte Sortimentsbaumschule der Welt.
Franz Späth ließ die ersten gepflasterten Zufahrtstraßen von Neukölln, Treptow und Britz zur Baumschule bauen, mit schattigen Promenadenwegen und vierfachen Baumreihen versehen.
1874 errichtete Franz Späth ein Wohnhaus auf dem Betriebsgelände. Das Herrenhaus umgab er mit einem Rosarium und einer schönen Gartenanlage. Im Arboretum pflanzte er über 4000 Arten von Bäumen und Sträuchern an. Sie stammten aus allen Gegenden der Erde und wurden auf die hiesigen Standortbedingungen getestet.

Foto: Daniela Incoronato
Nichts anderes ist heute wichtig, wenn es darum geht, Stadtbäume, die dem Klimawandel gewachsen sind, zu identifizieren. Die Späth-Erle ist so ein Baum. Bereits 1980 gezüchtet, trotzt sie Hitze und Trockenheit besser als die für Berlin typische Linde. „Scheint die Sonne zu intensiv, rollt sie einfach ihre Blätter etwas ein“, sagt Holger Zahn, der Geschäftsführer der Baumschule. „Die Späth-Erle ist prädestiniert, im Stadtraum des Klimawandels einer der Stadt- und Straßenbäume der Zukunft zu werden.“
Zum 300. Geburtstag initiierte der Bund Deutscher Baumschulen die Pflanzung einer Späth-Erle im Tiergarten. Der Präsident des Bundes, Helmut Selders, präsentierte außerdem eine Liste mit 60 Zukunftsbäumen für Städte im Klimawandel. Sie dient als Anleitung für die richtige Pflanzenauswahl durch öffentliche und private Pflanzenverwender. „Seit Jahrhunderten sind die Baumschulen die wichtigsten Experten bei allen Fragen rund um die richtigen Bäume für unsere Städte, Parks, Gärten und Wälder. Der Klimawandel weist der Branche in dieser Hinsicht nun gar eine Schlüsselrolle zu“, so Selders.

In Berlin sind die Späth’schen Baumschulen einer der letzten Komplettanbieter. Durch die Wirren der Zeit sind sie bisher oft nur mit viel Engagement gekommen.
So brachte Hellmut Späth, Firmeninhaber seit 1912 in sechster Generation, es fertig, das Unternehmen durch den ersten Weltkrieg und die Weimarer Republik zu führen. Doch die Weltwirtschaftskrise brachte auch die Baumschulen in Bedrängnis. Nach einigen lohnenden Großaufträgen zu Beginn des Nationalsozialismus geriet Hellmut Späth mit den Machthabern in Konflikt. Die Gestapo schleuste eine Agentin als Sekretärin in sein Büro ein. Hellmut Späth wurde Anfang 1943 verhaftet, später in das KZ Sachsenhausen überführt. Dort wurde er am 15. Februar 1945 auf persönlichen Befehl Ernst Kaltenbrunners, Leiter des Reichssicherheitshauptamtes, erschossen.
Nach Kriegsende werden die Erben enteignet und die Baumschule als volkseigener Betrieb weiter geführt. Das Arboretum wird 1961 an die Humboldt-Universität übergeben und die Herrenhaus-Villa zum Sitz des Instituts für Spezielle Botanik umgebaut. Die Späth’schen Baumschulen bleiben das Zentrum des Baumschulenwesens in der DDR. Nach der Wende folgte ein jahrelanger Kampf gegen die Zerschlagung, die Treuhand will das Unternehmen abwickeln. 1997 ist die Rückübertragung erreicht.

Foto: Daniela Incoronato
Für die Zukunft des Standortes wünscht sich Holger Zahn, der seit 1995 im Unternehmen Verantwortung trägt, vor allem Planungssicherheit. Die Flächen sind gepachtet, andere Gewerke auf dem Gelände haben eine jährliche Kündigungsfrist. Zahn würde gern einen Nachfolger einarbeiten, doch es findet sich niemand, der in eine ungewisse Zukunft einsteigen möchte. So naiv, dass er mitten im Stadtgebiet Acker bewirtschaften wolle, sei er nicht. Aber der historische Standort, das Schaufenster der Baumschule, den hätte er für die Zukunft schon gern in trockenen Tüchern. Die Berliner lädt er zum 300. Geburtstag natürlich wieder ein nach Treptow. Ein grüner Markt mit großem Programm ist am Wochenende des 19.und 20. September geplant.