Zwei Tage Ausnahmezustand
Als ganz Kleinmachnow eine Löwin suchte
Ein wildes Tier reißt die Anwohner südlich von Berlin aus ihrem Alltag. Doch eine Spur gibt es von dem Tier nicht. Nach massiver Suche und Hinweisen von Experten rudern die Behörden nun zurück. Fehlalarm: Die Löwin von Kleinmachnow war wohl ein Wildschwein.

In der Nacht zum Donnerstag wurden Gerd und Bärbel Ziegenspeck in ihren Betten wach, weil ein Hubschrauber im Tiefflug über einem Waldstück in Kleinmachnow kreiste. Es dröhnte, und auch am Morgen noch war die Umgebung in Kleinmachnow in Aufruhr.
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Verbrecherjagd oder Löwen-Suche?
Gerd Ziegenspeck denkt an eine Verbrecherjagd und geht am Donnerstag in der Früh wie immer mit dem Hund eine morgendliche Runde. Erst nachdem er wieder zu Hause angekommen ist, erfahren die beiden älteren Herrschaften aus dem Radio, was sich in ihrer unmittelbaren Umgebung abspielt. Ein Löwe, genauer eine Löwin – wegen der fehlenden charakteristischen Mähne –, soll entlaufen sein. Sie sei auf einem Video erkennbar gewesen. Bürger sind angehalten, Waldstücke zu meiden. Sie sollen ihre Häuser am besten nicht verlassen.

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Gerd und Bärbel Ziegenspeck wohnen keine anderthalb Kilometer Luftlinie entfernt von dem Areal am Hundeauslaufgebiet Düppel. Dort wurde die vermeintliche Raubkatze zuerst gesehen und später intensiv und doch vergeblich gesucht. Das Ehepaar begegnet der Sache mit Respekt, aber nicht aufgeregt.
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Gespannte Entspanntheit in Kleinmachnow
Auch auf dem Rathausplatz in Kleinmachnow laufen die Menschen am Vormittag des Donnerstags gelassen die Straße entlang. Sie schlendern, ältere Leute sind mit Rollatoren unterwegs, auf die sie ihre Einkaufstaschen stellen. Zwei Männer sitzen an einem Tisch und unterhalten sich, ein anderer stöbert an der Kleiderstange vor einem Geschäft. Die Löwin ist Gesprächsthema Nummer eins. Panisch ist hier in der Sicherheit der Stadt keiner.
Den Löwen immer im Hinterkopf
Am Waldrand, wo die Wildnis beginnt und das Dickicht Tiere versteckt, sieht das anders aus. Dennoch zieht Gerd Ziegenspeck mehrmals am Tag mit seinem Border-Collie-Mix Rocco los, was sein muss, muss sein. Ab und zu beschleicht ihn ein mulmiges Gefühl. „Wir haben auf dem Weg genauer als sonst in alle Ecken geguckt“, gibt er zu. Am Waldrand auf der Gassirunde sei er fast allein unterwegs gewesen, sagt der 80-Jährige.

„Je länger die Suche dauert, desto belastender ist das“, sagt er. Schon den zweiten Tag sind Hunderte Helfer von Polizei, Feuerwehr, Ordnungsamt, Veterinäre und Jäger unterwegs, um die Löwin endlich einzufangen. Doch es mehren sich Stimmen, die sagen, auf dem Video sei gar keine Löwin zu sehen. Experten meldeten sich zu Wort und solche, die es sein wollen. Sie identifizierten bereits einen Bärenhund auf den wackeligen Bildern aus der Nacht oder ein Kalb. Derk Ehlert und der Chef des Berliner Nabu sind sich sicher: Eine Löwin gibt es hier gar nicht.
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Besonders auffällig ist, dass weder das Tier noch eindeutige Spuren gefunden werden. Futter für immer neue Nachrichten und auch für die Fantasie gibt es allerdings genug. Ein verdächtiger Kothaufen am Nikolassee soll noch im Labor untersucht werden. Ein weißes Haar, dort gefunden, wo die Raubkatze ein Wildschwein erbeutet haben soll, wird in Kamera gehalten und Experten zur Untersuchung vorgelegt.

„Lieber geht man auf Nummer sicher“, sagt auch Gerd Ziegenspeck zu dem Großaufgebot, das auch am Freitag am Vormittag wieder in der Gegend unterwegs ist und jedem Hinweis aus der Bevölkerung nachgeht. Die letzte Nachricht stammt von einem Anwohner. Dessen Nachbar soll das Tier am Freitagvormittag gesehen haben, die Löwin sei ganz friedlich gewesen, zitiert die Berliner Zeitung den Zeugen.
Die Berliner Löwin war ein Wildschwein
Kurz darauf dann die abrupte Kehrtwende. Die Behörden teilen am Freitagmittag mit, dass man davon ausgeht, dass es sich bei dem Tier doch nicht um eine Raubkatze gehandelt hat. Im geprüften Gebiet gebe es keine Hinweise auf eine Löwin, sagte Kleinmachnows Bürgermeister Michael Grubert (SPD) am Freitagmittag bei einer Pressekonferenz. Die aktive Suche sei daher am Freitagmittag abgebrochen worden. „Es gibt keine Gefährdungslage“, so Grubert. „Alle Hinweise führten ins Leere.“
Auch zu dem Video, das die Suche ausgelöst hatte, äußerte sich Bürgermeister Grubert: „Das Video war kein Fake. Es ist etwas gesehen worden. Es ist etwas Ungewöhnliches gesehen worden.“ Deshalb habe man sofort gehandelt, um eine mögliche Gefahr von der Bevölkerung abzuwenden. Der Polizeisprecher ergänzte: „Außer dem Video gab es noch eine Sichtung durch die Polizei. Die war sicher, dass es sich wahrscheinlich um die gesuchte Löwin handelte.“
Als die Familie Ziegenspeck die neueste Wendung erfährt, sind Gerd und Bärbel erleichtert. „Das gibt’s doch nicht“, sagen sie. Nun wollen sie noch auf ein offizielles Ende der Gefahrenwarnung warten. Dass die Behörden eine mögliche Gefahr aber so ernst genommen haben, finden sie dennoch gut. Wenn man jetzt neue Erkenntnisse habe, müsse man entsprechend reagieren.
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Die ganze Welt hat zugeschaut. Mit wohligem Schauer waren wir aus der sicheren Stube Zeugen in diesem Sommer-Theater, das nun wohl ziemlich unromantisch, aber glücklicherweise auch unblutig zu Ende geht. Nun kann man sich wieder den alltäglichen Problemen zuwenden. Die eigentlichen Herrscher in den Wäldern um Kleinmachnow seien die Wildschweine, sagt Gerd Ziegenspeck. „Da muss ich meinen Rocco immer ganz schön zurückhalten.“