Ausstellung im Technikmuseum
Als die DDR junge Eisenbahnfans für feindliche CIA-Agenten hielt
Der Stuttgarter Eisenbahnfan Burkhard Wollny fuhr von 1975 an regelmäßig in den Osten. Seine Ausbeute der Abenteuer: Tausende Bilder von alten Dampfrössern. Und eine dicke Stasi-Akte.

Im Westen blieben in den 1970ern immer mehr Dampfloks in den Depots. Doch im Osten, hinter der Zonengrenze, da fuhren sie unermüdlich weiter. Einer, der sich schon immer für Dampfloks interessierte, ist Burkhard Wollny. Und wenn die Loks nicht mehr um Stuttgart dampften, so machte er sich eben auf in den Osten. Einen echten Eisenbahner hält eine Grenze zwischen zwei Systemen nicht auf.
Anderswo ausgemustert: Dampflok-Paradies DDR
Fünf Jahre reiste Wollny von 1975 an zusammen mit anderen Liebhabern der Dampftechnik immer wieder durch die DDR und fotografierte an Bahngleisen und Bahnhöfen.
Wollny fotografiert unzählige Loks, aber auch den Alltag an der Strecke. Dabei gelingen ihm einzigartige Bilder vom Leben in den Städten und in der Provinz, auf Bahnhöfen und an Bahnübergängen. Da sind Reisende mit Koffern, Kinder auf Klassenfahrt oder Schaffner und andere Eisenbahner. Ein unverstellter Einblick in das Leben an der Schiene – das sind die Bilder heute. In einer Ausstellung im Deutschen Technikmuseum Berlin werden sie vom 21. Januar 2022 bis 19. Februar 2023 gezeigt.
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Die Bilder der Eisenbahner aus dem Westen und vor allem ihre Urheber waren in der DDR nicht lange unerkannt geblieben. Schnell rückten die Fotografen an den Gleisen in den Fokus der Stasi. Während Burckhard Wollny an die tausend Fotos schießt, entstehen anderswo tausend Seiten Berichte über die Männer aus dem Westen, die sich an den Gleisen der Deutschen Demokratischen Republik herumtreiben.
Alarm: Agenten aus dem Westen an den Gleisen der DDR
Waren das Agenten aus dem Westen, die CIA? Die Männer mit Fotoausrüstung, geländegängig angezogen, Hut gegen Gegenlicht, dokumentierten schließlich sensibles Staatseigentum.
In seinem Buch „Geheimsache Reichsbahndampf – Die Akte Fotograf“ (Transpress-Verlag, Stuttgart) dokumentierte Burkhard Wollny, wie er und seine Freunde von Pufferküssern zu CIA-Agenten wurden.
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Denn für die Stasi schien der Fall klar: Der US-Geheimdienst hatte es auf das Ausspähen militärischer Objekte abgesehen. Die Verfolger notierten ihre Beobachtungen akribisch – die Haare, die Brille, der Schal. Dabei galt die Leidenschaft der Pseudosaboteure doch bloß einer rumpelnden, schnaufenden Schönen: der Dampflok Nr. 950028-1 der Deutschen Reichsbahn.
Unter den Kennwort „Fotograf“ war Burkhard Wollnys Akte in der Stasiunterlagenbehörde gesichert, erst als er sich nach der Wende durch die Aufzeichnungen kämpfte, begriff er, wie sehr sie im Fokus der Stasi gestanden hatten. „Hätten wir das damals alles gewusst“, so Wollny damals in einem Interview, „wär uns das Herz in die Hosen gerutscht.“
Eisenbahnromantik: Loks zwischen Brandenburg und Erzgebirge
Zwischen Brandenburg und Erzgebirge waren die Siebziger und Achtziger ein Paradies für Eisenbahnfans. Dampfende Schlote, zischendes Halten an Bahnsteigen, ein Schnaufen und Rumpeln und Funkensprühen. Der Geruch der Eisenbahnromantik des Dampfzeitalters war in der DDR gelebte Realität. Anderswo eingemottet oder nur noch zu Museumsfahrten herausgeputzt, stemmten Dampfloks in der DDR den Alltagsverkehr auf der Schiene.
An den Bahndämmen begeistert die Eisenbahnfans aus dem Westen. Einmal in Chemnitz lichteten Burkhard Wollny und seine Kumpels eine 100 Jahre alte Straßenbahn der Linie 8 ab – und ohne es zu wissen das Stasi-Hauptquartier im Hintergrund gleich mit! Festnahme.
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In einem fensterlosen Raum mit Bild von Erich Honecker nahmen ihn die MfS-Männer in die Mangel. Der Vorwurf: Spionage. Die Filme konfiszierten die Stasi-Leute. „Als sie nach dem Entwickeln wirklich nur alte Trambahnen darauf entdeckten“, amüsiert sich Wollny, „ließen sie uns kopfschüttelnd laufen.“
Erst 1980 kam auch die Stasi nach aufwendiger Recherche zu dem Schluss, dass die Fotografen nur
harmlose „Hobbyeisenbahner“ waren und „der direkte Nachweis einer Feindtätigkeit nicht erbracht werden“ konnte. Burkhard Wollny ist seinen Spitzeln später sogar dankbar für ihre Akribie. „Eisenbahnfotografien bedürfen genauer Angaben wie Loknummer, Zugnummer, Ort und Zeit der Aufnahme“, erklärt er in einem Interview bei Erscheinen seines Buches. „Mithilfe der Stasi-Akte konnte ich alle Lücken in meinen Unterlagen von damals füllen.“
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21. Januar 2022 bis 19. Februar 2023: Alltag an Schienen. Fotografien aus der DDR von Burkhard Wollny, Deutsches Technikmuseum, Neubau, 4. OG, Große Galerie