Alarmstufe Müll: Erstickt Berlin bald an seinem eigenen Abfall?
Die Berliner Stadtreinigung (BSR) verspricht sich viel von ihrer neuen Toastbrot-Flotte. Das sind besonders schmale Fahrzeuge, die jetzt zum Einsatz kommen.

Es fehlen Fahrer und Fahrerinnen für die Fahrzeuge der Müllabfuhr. Aber was noch viel wichtiger ist, es fehlen Konzepte. Am heutigen Dienstag will der Berliner Senat das Müllproblem in der Hauptstadt verschärft angehen. Die Berliner Stadtreinigung (BSR) preschte bereits am Montag mit einem neuen Konzept vor. Ob das hilft, ist fraglich.
Die BSR verspricht sich besonders viel von ihrer neuen Toastbrot-Flotte. Dabei kommt es auf die Größe der Fahrzeuge gar nicht an. 30 neue Abfallsammelfahrzeuge, schmal wie ein Toastbrot, sollen die BSR-Teams auf der Straße verstärken.
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Die Autos sind mit einer Breite von 2,40 Metern rund zehn Zentimeter schmaler als die bisherigen Fahrzeuge, teilte das Unternehmen mit. Dadurch sollen die Beschäftigten die Müllwagen leichter auch durch engere Straßen fahren können. Hinzu kommt bei einigen der Neuauslieferungen ein geringerer Abstand zwischen den Achsen, sodass die Fahrzeuge wendiger seien.
Das eigentliche Problem in Berlin ist damit aber noch gar nicht gelöst, und wenn es nicht bald gelöst wird, erstickt die Hauptstadt in ihrem eigenen Müll.
Weil BSR-Fahrer in Rente gehen, bleibt der Müll liegen
Deutschlands Abfallbranche hat nämlich viel zu wenige Fahrer für die Müllabfuhr. „Der Fahrermangel ist ein Problem, was unseren Betrieben immer stärker zusetzt“, sagte der Präsident des Entsorgungsverbandes BDE, Peter Kurth, der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Es gibt erste Fälle, dass Entsorgungstouren mangels Fahrern nicht gemacht werden können.“ Diese Einzelfälle drohten sich in Zukunft zu häufen, warnte er.
Die Gründe für den Fahrermangel nannte Kurth ebenfalls: In der gesamten Logistikbranche, zu der Kurth den Abfallsektor zählt, gingen in Deutschland jedes Jahr 30.000 Berufskraftfahrer in Rente, es gebe aber nur halb so viele Berufsanfänger. Schon jetzt fehlten 60.000 bis 80.000 Berufskraftfahrer im Land. Die Politik müsse dringend gegensteuern. In einem Brief bat Kurth Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) vor Kurzem um Unterstützung.
Was kann helfen? Der Verbandschef wirbt dafür, dass die Barrieren für ausländische Fachkräfte gesenkt werden. So findet er es unverständlich, dass die praktischen Prüfungen, die es bei Brummi-Führerscheinen und späteren Schulungen gibt, auf Deutsch sein müssen, während die Theorieprüfungen auch auf Englisch und in anderen Sprachen abgelegt werden können.
Jeder Berliner produziert um die 250 Kilo Müll pro Jahr
„Für Berufsinteressenten aus Bosnien und aus anderen Nicht-EU-Staaten ist das ein Hindernis, was ihre Einstellung verzögert oder sogar unmöglich macht.“ Gute Englischkenntnisse reichten aus, um hierzulande ein Entsorgungsfahrzeug zu steuern. Warum sich so wenige Deutsche um einen Fahrerjob bemühen, konnte der Verbandschef allerdings nicht erklären.
Generell müsse Deutschland im Ausland stärker um Berufskraftfahrer werben, meint Kurth. Als problematisch empfindet der BDE-Präsident zudem die langen Wartezeiten, bis eine Prüfung abgelegt werden kann. Das liege daran, dass es zu wenige Prüfer gebe. Um dieses Problem zu lösen, solle der Staat auch hier Bürokratie abbauen. So sollten ehemalige Prüfer schnell reaktiviert werden können. Bisher dauere es sehr lange, bis die Prüferlaubnis wieder erteilt werde.
Auch die Digitalisierung könne helfen, um den Fahrermangel etwas zu lindern. „Es sollten mehr Digitalkomponenten eingesetzt werden, wenn Menschen für einen Lastwagen-Führerschein lernen und später Weiterbildungen machen.“ Dadurch könnten bestimmte Präsenzveranstaltungen entfallen und stattdessen online stattfinden, sagt Kurth. Die Niederlande und Österreich seien hier viel weiter als Deutschland. „Für die Firmen und die Fahrer wäre das eine zeitliche, räumliche und finanzielle Entlastung.“
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In Deutschland gibt es nach BDE-Angaben rund 20.000 Entsorgungsfahrzeuge. Normalweise sind sie mit einem Fahrer und einem sogenannten Lader besetzt, Letzterer holt die Mülltonnen und leert sie aus. Manchmal sind es auch zwei Lader. Beim Fahren wechselt sich die Besatzung nicht ab, da der Lader in den meisten Fällen nicht die nötige Fahrerlaubnis und Berufsqualifikation hat.
Der Berliner Senat geht das Müllproblem jetzt verschärft an. Regierungschefin Franziska Giffey (SPD) und Wirtschaftssenator Stephan Schwarz (parteilos) wollen am heutigen Dienstag die Pressekonferenz des Senats zum Thema „Saubere Stadt“ bestreiten. Mal sehen, ob endlich Konzepte auf den Tisch kommen, die wirken. Jeder Berliner produziert um die 250 Kilo Müll pro Jahr!