Carl von Ossietzky Gymnasium: Zeugnisvergabe zu Coronazeiten 
Carl von Ossietzky Gymnasium: Zeugnisvergabe zu Coronazeiten  Foto: Otto

Vieles ist normal bei dieser Abiturfeier: „Na, hast du bestanden?“ „Besser als du!“, frotzeln zwei und zeigen sich ihre Zeugnisse. Strahlende Väter drücken ihre Töchter an sich, Mütter schauen stolz zu dem schlaksigen jungen Mann hoch, der plötzlich anderthalb Köpfe größer ist als sie – war er nicht gerade noch ein Baby? Vieles ist aber auch anders bei der feierlichen Verleihung der Abiturzeugnisse am altehrwürdigen Carl-von-Ossietzky-Gymnasium in Pankow. Der Ort zuallererst: Normalerweise hätten sich die 156 Abiturientinnen und Abiturienten in der Hoffnungskirche versammelt – mit Oma, Opa, Familie, vielleicht noch ein paar Freunden – und danach gemeinsam noch ordentlich gefeiert.

Doch der Abiturjahrgang 2020 feiert seinen Abschluss so, wie er auch schon die Prüfungen schrieb: unter Corona-Bedingungen. Deshalb: Zeugnisverleihung im Freien, in acht Schichten, auf dem liebevoll geschmückten Schulhof, begleitet von höchstens drei Familienmitgliedern. Stundenlang geht das: Während draußen schon die Nächsten Schlange stehen, setzen sich achtmal junge Menschen vor der schicken Eingangstreppe auf ihre Stühle, hinter ihnen die Familien.

Gemein, dass sie jetzt nicht mal feiern dürfen

Achtmal hält Schulleiterin Ilona Kowollik eine launige Rede, begleitet von einem kleinen Ausdruckstheater von zwei Lehrern. Achtmal spielt die tapfere Bigband, und unzählige Male treten junge Menschen an die Tische, auf denen ihre Zeugnisse liegen, und werden begeistert beklatscht. Sogar für das Foto auf der Treppe wird der Sicherheitsabstand eingehalten. Und dann geht es durchs Schulhausfoyer nach draußen, „ein letztes Mal“, sagt Kowollik. Achtmal, aber immer gleich wehmütig.

Froh, aber auch irgendwie gemessen ist die Stimmung danach, bevor es im Familienverbund oder in kleineren Grüppchen zum gemeinsamen Feiern geht. Für großen Überschwang ist wohl einfach nicht die Zeit – wie auch, wenn man sich streng genommen nicht mal um den Hals fallen darf. Ein politisch interessierter Jahrgang seien sie, aktiv bei Fridays for Future, queerfeministisch. Das sagt Theresa Arnoldt, Schülersprecherin, Chefredakteurin der Schülerzeitung, Jahrgangsbeste. Während des wochenlangen Streits um die schriftlichen Abiturprüfungen hatte auch sie einen offenen Brief an die Schulsenatorin geschrieben, für die Absage der Prüfungen und für ein Durchschnittsabitur plädiert.

Sind sie jetzt doch froh, dass sie sie geschrieben haben? Gebraucht hätten sie es nicht, sagen die meisten hier. „Es war für viele eine große emotionale Belastung“, sagt Arnoldt. Gemein, dass sie jetzt nicht mal feiern dürfen wie die anderen: Mottowoche, Abistreich, Abiball, die große Abifahrt: alles abgesagt. Aber immerhin: Sie haben es alle geschafft. Und jetzt ist erst mal Sommer.