A100-Anschlag: Mutmaßlicher Islamist wegen dreifachen Mordversuchs vor Gericht
Sarmad A. wollte auf der Stadtautobahn wohl Ungläubige töten. Ab 15. April muss er sich vor dem Landgericht wegen dreifachen Mordversuchs verantworten.

Er soll im Sommer vorigen Jahres auf der Autobahn 100 mit seinem Auto Jagd auf Motorradfahrer gemacht haben. Dabei rammte Sarmad A. mit seinem Opel Astra zahlreiche Fahrzeuge. Mehrere Menschen wurden verletzt, darunter drei Motorradfahrer schwer. Die Ermittler gingen schon früh von einem islamistisch motivierten Anschlag aus.
Nun hat die Generalsstaatsanwaltschaft gegen den 30 Jahre alten Iraker eine Antragsschrift verfasst, die in dem Sicherungsverfahren an die Stelle der Anklage tritt. Denn bei dem Beschuldigten handelt es sich offenbar um einen psychisch kranken Mann. Sarmad A. soll zum Zeitpunkt der Tat schuldunfähig gewesen sein. Am 15. April beginnt vor der 21. Großen Strafkammer der Prozess gegen ihn. Die drei schwer verletzten Motorradfahrer werden in dem Verfahren Nebenkläger sein.
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Die Generalstaatsanwaltschaft wirft Sarmad A. versuchten Mord in drei Fällen, gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr, Unfallflucht und gefährliche Körperverletzung vor. Am 18. August des vergangenen Jahres soll der Beschuldigte mit seinem schwarzen Opel Astra auf die A100 gefahren sein und sich entschlossen haben, Menschen umzubringen. Angeblich soll Gott ihm dazu den Auftrag erteilt haben. Am Dreieck Funkturm touchierte er kurz nach 18.30 Uhr einen ersten Wagen auf seinem riskanten Zickzack-Kurs. Gut 15 Minuten lang sorgte er dann auf der zu dieser Zeit viel befahrenen Autobahn für Angst und Schrecken. Mehrere Fahrzeuge wurden beschädigt, auch Autofahrer verletzt.
Motorradfahrer sollten für Ungläubige sterben
Ziel des mutmaßlichen Attentäters waren offenbar Motorradfahrer, die Sarmad A. zufällig ausgewählt haben soll und die er stellvertretend für Ungläubige töten wollte. Mit einer Geschwindigkeit von weit mehr als 100 Kilometer pro Stunde soll Sarmad A. mit seinem Auto auf der Tempo-80-Strecke von hinten auf Motorradfahrer aufgefahren oder sie abgedrängt haben, damit sie auf die Fahrbahn geschleudert wurden. Die Kradfahrer sollten so entweder bei einem Sturz sterben oder von nachfolgenden Autos überrollt und getötet werden.
An der Abfahrt Alboinstraße fuhr der Beschuldigte schließlich ab und prallte mit seinem Wagen gegen eine Wand der rechten Fahrbahnbegrenzung. Dort soll Sarmad A. ausgestiegen sein und eine alte Munitionskiste auf das Autodach gestellt haben. Anschließend montierte er die Kennzeichen seines Auto ab und rollte einen Gebetsteppich aus. Er soll „Allahu akbar“ und auf Arabisch etwas von Rache gerufen haben. Ein arabisch sprechender Polizeibeamter war einer der Ersten am Einsatzort.
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Sarmad A. konnte überwältigt und festgenommen werden. Die Munitionskiste auf dem Autodach wurde am Tatabend von Spezialkräften mit einem Wasserstrahl zerstört. In der Kiste sollen sich Werkzeuge und ein Koran befunden haben. Nachdem der Beschuldigte von einem Psychiater begutachtet und offenbar als psychisch krank eingestuft wurde, verfügte ein Haftrichter die Unterbringung im Maßregelvollzug, wo er bis heute sitzt. Die Generalstaatsanwaltschaft will mit dem Verfahren die Unterbringung in der forensischen Psychiatrie erreichen. Für die Ermittler ist es die Tat eines Einzelnen.
Schon vor dem Anschlag war Sarmad A. auffällig
Sarmad A. wurde in Bagdad geboren. Er entstammt einer schiitischen Familie. Im Irak soll er studiert haben und nicht besonders religiös, sondern nationalistisch eingestellt gewesen sein. Im Sommer 2015 floh er aus seinem Heimatland, gelangte über die Türkei, Griechenland, Finnland und Schweden nach Deutschland. Er hat eine Duldung, die Ende des vergangenen Jahres ausgelaufen sein soll.
Zuerst war Sarmad A. in Berlin in einer Gemeinschaftsunterkunft untergebracht, dann lebte er bis zu seiner Festnahme in einem Mehrfamilienhaus in Reinickendorf. In Deutschland soll er sich mehr und mehr zum islamischen Fundamentalisten entwickelt und häufig im Koran gelesen haben. Strafrechtlich fiel er offenbar wegen Körperverletzungsdelikten auf. Vor Gericht wurde er jedoch freigesprochen – unter anderem, weil er unter Wahnvorstellungen gelitten haben soll. Sarmad A. kam zeitweise in einer psychiatrischen Einrichtung unter. Selbst am Tag des mutmaßlichen Autobahnanschlags soll der Beschuldigte an verschiedenen Orten Berlins aufgefallen sein, weil er aggressiv wurde und herumbrüllte – unter anderem auf einem Friedhof.
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Stephan Maigné vertritt vor Gericht einen der schwer verletzten Motorradfahrer. Der Wagen des Beschuldigten soll an jenem Abend mit 130 bis 150 Kilometer pro Stunde auf das Motorrad des Mannes aufgefahren sein. Der 40-jährige Familienvater stürzte, wachte erst wieder im Krankenhaus auf. „Mein Mandant will wissen, was sich an jenem Abend abgespielt hat, was der Hintergrund der Tat ist und was der Beschuldigte für ein Mensch ist“, sagt Maigné. Und er wolle wissen, warum ausgerechnet er Opfer geworden sei. „An diesem Abend hätte es auf der Autobahn jeden treffen können“, sagt der Anwalt.
Für die Verhandlung vor der Schwurgerichtskammer sind rund 30 Verhandlungstage terminiert. Ein Urteil könnte Ende September dieses Jahres gesprochen werden.