Blick auf das Parlaments- und Regierungsviertel mit dem Band des Bundes. Zwischen Kanzleramt (links unten) und Paul-Löbe-Haus (Mitte rechts) klafft eine Lücke. Dort sollte nach dem preisgekrönten Entwurf der  Architekten Charlotte Frank und Axel Schultes das Bürgerforum entstehen.
Blick auf das Parlaments- und Regierungsviertel mit dem Band des Bundes. Zwischen Kanzleramt (links unten) und Paul-Löbe-Haus (Mitte rechts) klafft eine Lücke. Dort sollte nach dem preisgekrönten Entwurf der  Architekten Charlotte Frank und Axel Schultes das Bürgerforum entstehen. Foto: Imago Images

30 Jahre nach dem Beschluss des Bundestags zum Umzug von Bonn nach Berlin am 20. Juni 1991 stehen die Aussichten zur städtebaulichen Vollendung des Parlaments- und Regierungsviertel schlecht. Zum Bürgerforum, das nach dem preisgekrönten Entwurf der Architekten Axel Schultes und Charlotte Frank auf der Fläche zwischen dem Bundeskanzleramt und dem Paul-Löbe-Haus des Bundestags entstehen sollte, gibt es „keinen neuen Sachstand“, stellt Senatsbaudirektorin Regula Lüscher in der Antwort auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Katalin Gennburg fest.

Der Senat zeigt sich laut Lüscher „offen für Gespräche“, doch müsste die Initiative dafür von der Bundesregierung ausgehen, so die Senatsbaudirektorin.  „Der Senat sieht als Voraussetzung für eine Realisierung des Bürgerforums, dass es auf der Seite der Bundesregierung und ihrer Institutionen ein entsprechendes Nutzungsbedürfnis gibt, das politisch legitimiert und finanziell abgesichert ist“, führt Lüscher in ihrer Antwort aus, die offiziell noch nicht veröffentlicht wurde, aber dem KURIER vorliegt.

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Axel Schultes und Charlotte Frank hatten den Wettbewerb zur Gestaltung des Parlaments- und Regierungsviertels 1992/93 gewonnen. Sie setzten sich dabei unter den mehr als 800 eingereichten Vorschlägen mit der Idee für ein Band des Bundes durch, das sich von Ost nach West durch den Spreebogen zieht und dabei die ehemalige innerstädtische Grenze überwindet. Die Bauten der Legislative, also des Parlaments, sollten in dem Band gegenüber der Exekutive, also der Regierung, stehen – verbunden durch das Bürgerforum. Zwar wurden wie geplant das Kanzleramt, das Paul-Löbe-Haus und das Marie-Elisabeth-Lüders-Haus des Bundestags im Band des Bundes errichtet, das Bürgerforum jedoch nicht. Auf der Fläche, auf der es entstehen sollte, findet sich heute ein Wasserspiel und eine Straße, die nach der früheren Bundestagspräsidentin Annemarie Renger benannt ist.

Senat zeigt sich offen für eine temporäre Nutzung

Die Linken-Abgeordnete Katalin Gennburg will sich mit der jetzigen Situation nicht abfinden. „Während im Regierungsviertel manche Bauten schon wieder saniert werden, wartet das Bürgerforum immer noch darauf ein Begegnungsort zu werden“, sagt sie. „Diese Planungskultur ist inakzeptabel.“ Gennburg: „Wir brauchen einen planerischen Neustart und mehr Platz für demokratische Auseinandersetzungen und Begegnungen zwischen Kanzler*innenamt und Reichstag.“

Um einen Wettbewerb zur Gestaltung des Bürgerforums zu starten, müsste nach der Antwort der Senatsbaudirektorin zuvor der Bund sein Okay geben – und zugleich genau wissen, was geplant ist. „Ohne genehmigtes Bedarfsprogramm und entsprechende bewilligte Haushaltsmittel kann der Bund keinen Realisierungswettbewerb ausschreiben“, so Lüscher. „Einen Ideenwettbewerb könnte der Senat anregen, jedoch nur in Kooperation mit dem Bund und unter seiner Federführung durchführen.“ Der Idee, die Fläche, die sich im Eigentum das Landes Berlin befindet, temporär zu nutzen, stehe „aus Sicht des Senats nichts entgegen“, so Lüscher.

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Immer wieder gibt es Vorstöße zur Nutzung des Areals. Aktuell von der Initiative Agora Netzwerk. Sie will die Fläche zum „Marktplatz der Demokratie“ machen. „Angesichts der gesellschaftlichen Spaltung wünschen wir uns einen Ort, an dem jeder Mensch den demokratischen Prozess hautnah erleben und zusammen mit anderen den Wandel in eine nachhaltige Zukunft konkret mitgestalten kann“, beschreibt Stefan Tornack von der Initiative die Idee. „Von Anfang an sollten alle Bürger:innen die Chance bekommen, ihre Ideen zur Gestaltung, Nutzung und Funktionsweise dieses öffentlichen Raumes einzubringen - wir empfehlen daher ein bundesweites Beteiligungsverfahren“, sagt er. Der Baukörper des Forums habe im preisgekrönten Entwurf „einer konkreten Annäherung zwischen den Abgeordneten des Deutschen Bundestages und den Bürger:innen“ Raum geben sollen, heißt es in einem Brief der Initiative an Politiker. „Mittlerweile schreiben wir das Jahr 2021 – und die einzige erkennbare Entwicklung der letzten Jahre ist die Erneuerung der sogenannten Forumsquerung“, also der Straße durch das Areal. Eine Verkehrsfläche mit zwei extragroßen „Planschwiesen“, wie die Initiative das Spiel mit den Wasserfontänen nennt, sei aber „weit entfernt von einem innovativen und vor allem gebauten Ort, an dem die Bürger:innen der Bundesrepublik den demokratischen Prozess hautnah erleben können“.

Architekten forderten vergeblich eine gesamtheitliche Planung

Aus Bundesregierung und Bundestag kommen unterschiedliche Stimmen zum Bürgerforum. „Der Bau des Bürgerforums wurde zu damaligen Zeiten nicht weiter verfolgt, weil es keine Finanzierung durch einen eigenständigen Betreiber gab“, erklärt ein Sprecher des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat. Zwischenzeitlich werde  „dieses Konzept auch wegen der inzwischen sehr deutlich verschärften Sicherheitsanforderungen der benachbarten Anlieger nicht weiter verfolgt“. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) zeigt sich hingegen offen für die Idee. „Die Realisierung eines Bürgerforums war bisher keine Angelegenheit des Deutschen Bundestages“, sagt Kubicki. „Grundsätzlich aber steht der Deutsche Bundestag der Idee aufgeschlossen gegenüber.“ Allerdings habe sich der Deutsche Bundestag entschieden, „ein Besucher- und Informationszentrum zu errichten, mit dem der Deutsche Bundestag den Bürgerinnen und Bürgern ein interessantes Angebot machen wird.“

Eine breite Debatte um das Bürgerforum hatte es zuletzt in den Jahren 2014 und 2015 gegeben. Grund waren die Pläne für den Bau des Besucher- und Informationszentrums für den Bundestag (BIZ). Das BIZ soll auf Wunsch der Parlamentarier südlich der Scheidemannstraße am Rand des Tiergarten entstehen und per Tunnel mit dem Reichstagsgebäude verbunden werden. Als Standort für das BIZ war zwischenzeitlich auch die Fläche des Bürgerforums diskutiert worden.

Für das Besucherzentrum hätte der Standort des Forums aber einen gravierenden Nachteil gehabt: Die Besucher hätten zwei Sicherheitskontrollen passieren müssen: erst beim Betreten des BIZ, dann beim Besuch des Reichstags. Diese Variante wurde deswegen nicht weiter verfolgt. Der Bund Deutscher Architekten hatte Anfang 2015 ein Moratorium für die BIZ-Planung gefordert. Er setzte sich für eine „gesamtheitliche Planung“ ein, zu der auch die Gestaltung der Forumsfläche gehören sollte. Ohne Erfolg.