Das Zwischenzeugnis
100 Tage Schwarz-Rot: KURIER benotet den Berliner Senat
Was läuft, wo gibt es Probleme? Wir haben uns den Start von Kai Wegners Regierungsriege angeschaut

Die 100 ist eine klassische Zahl in der Politik. Nach 100 Tagen im Amt wird Politikern immer ein erstes Zwischenzeugnis ausgestellt. Was haben sie erreicht, wie haben sie sich angestellt? Seit 100 Tagen ist der neue schwarz-rote Senat nun im Amt. Der Berliner KURIER zieht Bilanz.
Der Holperstart: Einen schlechteren Arbeitsbeginn wie den des schwarz-roten Senats in Berlin kann es für eine neue Regierung wohl nicht geben. CDU-Landeschef Kai Wegner brauchte am 27. April im Abgeordnetenhaus drei Wahlgänge, ehe er die nötige Mehrheit als neuer Regierender Bürgermeister der Hauptstadt bekam. In geheimer Wahl hatten ihm zuvor mit großer Wahrscheinlichkeit Abgeordnete sowohl aus der SPD als auch aus seiner eigenen Partei die Gefolgschaft verweigert. Ob am Ende die AfD Wegners Wahl sicherte, wie von ihr behauptet, bleibt offen. Die Aufregung war groß, der Politikwissenschaftler und Publizist Albrecht von Lucke sprach von einem „fulminanten Fehlstart“. Note: 6
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Die Stimmung im Senat: Der Senat scheint recht harmonisch zu arbeiten, echte Misstöne untereinander waren bisher nicht zu hören. Anders als bei Rot-Grün-Rot. Da wurde, vor allem am Ende, mehr übereinander als miteinander geredet. Note: 1
Erste Regierungsvorhaben: Mit dem Entwurf für den Doppelhaushalt 2024/2025 und einem Gesetzentwurf für ein milliardenschweres Sondervermögen für mehr Klimaschutz hat die von Wegner angeführte Riege der Senatoren wichtige Vorhaben in vergleichsweise kurzer Zeit auf den Weg gebracht.
Berliner Senat: Streit um Radwege sorgte für Missstimmung
Mit seinem Plan für den jeweils knapp 40 Milliarden Euro umfassenden Haushalt 2024/2025 überraschte der Senat auch Kritiker positiv. Statt der von einigen befürchteten Streichorgie etwa im Sozialbereich bekommt jede Senatsverwaltung mehr Geld. Nachdem die Bezirke in einem Brandbrief mehr Geld gefordert hatten, steigt auch hier der Etat leicht an – auf rund elf Milliarden Euro im Jahr 2024 und 11,4 Milliarden Euro im Jahr 2025. Note: 2
Die Kommunikationspanne: In den Fokus der Kritik geriet vor allem Mobilitäts- und Klimaschutzsenatorin Manja Schreiner (CDU), aus deren Haus im Juni bekannt wurde, dass zahlreiche Radwegprojekte auf den Prüfstand gestellt werden sollten. Wie viele und welche, war zunächst unklar – und auch die Kriterien dafür.
Die offiziell nicht bestätigte und später dementierte Information, bereits geplante Radwege sollten nicht mehr gebaut werden, sobald ein einziger Autoparkplatz dafür geopfert werden müsse, hatte einen Proteststurm zur Folge. Gegen mögliche Einschränkungen beim Radwegebau machten nicht nur der Radfahrerklub ADFC oder manche Bezirke mobil. SPD-Landes- und Fraktionschef Raed Saleh kritisierte, über das „Kommunikationsdesaster des Senats“ könne man nur den Kopf schütteln.

Nach rund einmonatiger Prüfung und aufgeregten öffentlichen Diskussionen teilte die Verkehrsverwaltung schließlich mit, 16 der entlang von Hauptstraßen geplanten Radwege könnten gebaut werden, teils nach Planungsänderungen. Nur drei Projekte wurden wirklich gestoppt.
Es war nachvollziehbar, dass Vorhaben, die noch die grüne Verkehrssenatorin auf den Weg gebracht hatte, auf ihren Sinn überprüft werden. Doch erklärt wurde das schlecht. So wirkte Manja Schreiner als Verhinderin. Note: 5
Größtes Problem: Die Zahl der Flüchtlinge steigt wieder
Grün beim Thema Umwelt überholt: Mit dem Sondervermögen Klimaschutz in Höhe von fünf Milliarden Euro überholte Schwarz-Rot die Grünen bei ihrem Ur-Thema. Deren Fraktionschef Werner Graf blieb nach dem Beschluss im Senat nur anzumahnen, konkrete Förderprojekte zu benennen und Mieterinnen und Mieter dabei nicht zu vergessen. Kritik etwa von der AfD oder dem Bund der Steuerzahler entzündete sich daran, dass Berlin dafür neue Schulden aufnehmen soll. Note: 1
Die Pläne bis Ende 2023: Für das zweite Halbjahr kündigte CDU-Fraktionschef Dirk Stettner eine Serie von Gesetzesvorhaben an. Eines davon betrifft das Polizeirecht, wo es Regelungen etwa zur Ausstattung der Einsatzkräfte mit Bodycams oder zum finalen Rettungsschuss geben soll. Das Mobilitätsgesetz soll so geändert werden, dass mehr Flexibilität bei der Breite von Radwegen entsteht – und diese somit schneller entstehen können.
Viele Menschen messen die Arbeit des Senats auch an der Frage, wie schnell sie Termine im Bürgeramt bekommen und welche Dienstleistungen online erledigt werden können. Bis Jahresende soll es hier deutliche Fortschritte geben, verspricht Regierungschef Wegner. Schwarz-Rot will liefern – auch mit Blick auf die nächste Wahl 2026. Note: Gibt es hier noch nicht. Hier muss der Senat schönen Worten erst mal Taten folgen lassen.
Größtes Problem: Die Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten, die in hoher Zahl ankommen. Im ersten Halbjahr suchten etwa 16.000 Menschen Schutz in Berlin vor Krieg, Verfolgung und wirtschaftlicher Not. Integrationssenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) rechnet bis Jahresende mit weiteren 10.000 bis 12.000. Da Unterkünfte fehlen, müssen bald wohl mehr zeltähnliche Leichtbauhallen aufgebaut werden, die es im Ankunftszentrum Tegel bereits gibt. Der Senat wirkt hier gehetzt, der Situation immer hinterherhechelnd. Note: 4