Berlin-Wahl: Wer vergibt eigentlich den Regierungsauftrag, ist der Anspruch der CDU darauf berechtigt?
Die CDU erhebt den Anspruch, Berlins neuen Senat zu bilden, aber worauf fußt dieser überhaupt?

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Das starke Wahlergebnis der CDU in Berlin beflügelt den Machtanspruch der Konservativen in der Hauptstadt: In sämtlichen Interviews seit Schließung der Wahllokale wurde CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner nicht müde zu wiederholen, der CDU komme der Regierungsauftrag zu. Bundes-CDU-Chef Friedrich Merz legte noch einmal nach, spricht auf Twitter von einem „klaren Regierungsauftrag für die CDU“.
Auch SPD und Grüne beanspruchen Regierungsverantwortung in Berlin, aber wie begründen sie den Anspruch?
Doch am Wahlabend beanspruchten neben der CDU sowohl SPD als auch Grüne eben diesen Regierungsanspruch für sich, beide in der Annahme, sie lägen jeweils hinter der CDU auf Platz zwei. Dass die SPD mit einem hauchdünnen Vorsprung von gerade einmal 105 Stimmen vor den Grünen liegt, entschied sich erst mitten in der Nacht im vorläufigen amtlichen Endergebnis.
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Die Frage ist: Worauf gründet der jeweilige Machtanspruch, ist er tatsächlich begründet – und wer vergibt eigentlich den Regierungsauftrag? So häufig, wie vom Regierungsauftrag die Rede war, so dünn ist der formal-rechtliche Anspruch, diesen einklagen zu können. Einen formellen Regierungsauftrag gibt es eigentlich nur in Monarchien wie Dänemark oder den Niederlanden, wo die Königin oder der König Regierungsmitglieder ernennt oder abberuft.
Einen formellen Regierungsauftrag gibt es nur in Monarchien
In Deutschland spricht man von einem informellen Regierungsauftrag: Auf Bundesebene erteilt diesen traditionell der Bundespräsident, was aber eher zeremoniell als rechtlich abgesichert ist. Faktisch hat das Fehlen eines formellen Regierungsauftrags schon zu skurrilen Machtspielen geführt: So beanspruchte der damalige SPD-Spitzenkandidat Gerhard Schröder trotz verlorener Wahlen gegenüber der stärkeren Union 2005 den Regierungsauftrag – Angela Merkel ebenfalls. Das Ergebnis ist bekannt.
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Berliner CDU begründet Machtanspruch mit starkem Stimmergebnis, sie braucht aber eine Mehrheit
Die Berliner CDU begründet ihren Machtanspruch nunmehr mit dem starken Ergebnis ihrer Partei: 28,2 Prozent sind ein massiver Zuwachs gegenüber 2021 von über 10 Prozent. Umgekehrt begründet Grünen-Spitzenfrau Jarasch ihren angeblichen Regierungsauftrag damit, ihre Partei habe ihr Ergebnis von 2021 nahezu halten können. Regieren könnten die Grünen jedoch laut vorläufigem amtlichen Endergebnis nur als Juniorpartner in einer Koalition – entweder mit der CDU oder zwei Parteien. Die SPD könnte einen Führungsanspruch innerhalb einer erneuerten rot-grün-roten Regierung mit ihrem Stimmenvorsprung begründen, so klein er auch ist.
Die CDU wiederum hätte trotz ihres deutlich besseren Wahlergebnisses als das jeder anderen Berliner Partei keine Handhabe, ein linkes Bündnis mit Hinweis auf ihren Machtanspruch zu verhindern. Sie könnte dennoch öffentlich versuchen, die Legitimität einer solchen Regierung anzuzweifeln – das wäre allerdings ein Spiel mit dem Feuer. Denn für die Demokratie ist allein entscheidend, ob eine Mehrheit im Parlament zustande kommt. In Ausnahmefällen ist selbst die Bildung einer Minderheitenregierung denkbar, die beispielsweise von einer anderen Partei toleriert würde oder mit wechselnden Mehrheiten regiert.