Ein Balkon-Kraftwerk mit zwei Solar-Paneelen. So ganz einfach und problemlos sind sie nicht einsetzbar.
Ein Balkon-Kraftwerk mit zwei Solar-Paneelen. So ganz einfach und problemlos sind sie nicht einsetzbar. Stefan Sauer/dpa

Berlin ist großzügig: 500 Euro Förderung kann man bekommen, wenn man sich ein Solar-Kraftwerk an den Balkon bauen lässt. Je nach Typ der Balkon-Photovoltaik (PV) kann dieser Betrag 20 bis 50 Prozent des Preises ausmachen. Der ganz große Boom scheint bislang aber nicht ausgebrochen sein. Das könnte daran liegen, dass der Anschluss technisch nicht ganz so einfach ist wie gedacht, und der Antrag für die Förderung auch nicht. Mancher sucht auf dem Weg zu günstigem, selbstgemachtem Strom deshalb den einfachen, wenn auch ungeförderten und potenziell gefährlichen Weg einer „Guerilla-PV“.

Für 14.000 Anlagen ist Fördergeld da, aber im ersten Monat wurden nur 1600 Anträge bei der zuständigen Investitionsbank IBB eingereicht und 500 bewilligt, weitere 1200  angelegt. Bei ihnen fehlten laut IBB „sicher noch Zustimmungen der Vermieter oder ein entsprechendes Angebot“.

Fehlende Angebote, kann das sein? In der Tat: Schon beim ersten Anruf beim ersten Elektriker, ob er denn derlei Anlagen installiert, erfuhr der KURIER: „Machen wir nicht, lohnt sich für uns nicht.“

Außerdem sei da noch das Haftungsproblem.

Das sitzt in der Technik: Zwar tragen laut Verband der Elektrotechnik (VDE) die Einzelteile einer Balkon-PV eine Zertifizierung – also die PV-Module, die Leitungen und die Wechselrichter, die den Gleichstrom der Module in Wechselstrom umwandeln.

Viele reden mit, und deshalb gibt es noch keine Normung von Balkon-Anlagen insgesamt

Für die Gesamtanlagen – in Deutschland dürfte es inzwischen über 200.000 geben – existiert es dieses Siegel mangels Norm jedoch noch nicht, und das wird voraussichtlich noch bis 2024 so bleiben.

Alexander Nollau (35), Elektroingenieur und Abteilungsleiter Energy bei der vom VDE getragenen Normungsorganisation mit dem schönen langen Namen „Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik“ (DKE): „Es gibt unterschiedliche Interessen der Hersteller, den Vertretern der Immobilienwirtschaft und der Versicherer.“

Die Hersteller wollten wegen der Kosten einfache Anlagen anbieten, Hausbesitzer verlangten Sicherheit für ihre Gebäude, Versicherer wollten nicht für Schäden aufkommen, die durch eine potenziell unsichere PV-Anlage entstehen könnten, und Verbraucherschützer wollten sich für den Nutzer einsetzen. Und alle sind an der Formulierung der neuen Norm beteiligt.  Nollau: „Der Kunde steckt dazwischen, auch, weil viele falsche Informationen umgehen.“

Der Bedarf für Balkon-Kraftwerke ist da, aber der Aufwand ist ziemlich groß

Weil nun aber aktuell Bedarf an PV-Anlagen besteht und mancher Kunde den „offiziellen“ Aufwand für die Installation scheut, seien Anlagen auf dem (Internet-)Markt oder in manchen Super- oder Baumärkten aufgetaucht, die man selber anschließen kann.

Der Reiz, „Guerilla-PV“ zu kaufen: Anschrauben, Stecker in die Balkonsteckdose, fertig. Es gibt zwar keine Förderung, aber gleichzeitig keine Suche nach einem Elektriker, kein DIN VDE V 0100-551-1, kein Antrag bei der IBB, keine Meldung an die Bundesnetzagentur, keine Installation eines neuen Stromzählers durch Stromnetz Berlin, der bei hoher Leistungsabgabe der PV-Anlage auch rückwärts laufen darf und kann …

Wer Bürokratie und Installationsaufwand scheut, kann sich in Gefahr begeben

Nur, dass bei dieser eigentlich verbotenen Flucht vor Bürokratie und Aufwand Gefahren lauern, sagt Alexander Nollau. Diese Anlagen, wegen ihrer nicht gerade regelgerechten Installation und möglicherweise ohne Vermietergenehmigung intern Guerilla-PV genannt, werden über einen herkömmlichen Schuko-Stecker in der Balkon-Steckdose mit dem heimischen Netz verbunden.

Potenziell gefährlich: Ein Stecker, der Elektrizität von einer Balkon-Solaranlage in die Steckdose leitet und dessen blanke Stifte unter Strom stehen könnten.
Potenziell gefährlich: Ein Stecker, der Elektrizität von einer Balkon-Solaranlage in die Steckdose leitet und dessen blanke Stifte unter Strom stehen könnten. GL

Mit der Gefahr der beiden blanken Metall-Stifte des Steckers, die unter Umständen noch unter Spannung stehen können, wenn man den Stecker zieht. Berührt man sie dann, „zeckt“ es ordentlich, unter ungünstigen Umständen bestehe sogar Lebensgefahr.

Laut einer Untersuchung der Berliner HTW-Fachhochschule von 2022 sind inzwischen aber über 70 Prozent der Geräte über einen Schuko-Stecker mit dem Wohnungs-Netz verbunden. 

Es gibt bereits Steckverbindungen, an denen man sich keinen Schlag holen kann

Dabei gibt es bereits von einigen Unternehmen wie zum Beispiel der Firma Wieland vom VDE geforderte Steckvorrichtung für Balkonkraftwerke, bei denen man nicht an stromführende Teile kommen kann. Nollau: „Andere technische Lösungen, die die Hauptforderung der DIN VDE V 0100-551-1 umsetzen, sind in der Entwicklung und stehen kurz vor dem Markteintritt.“

Diese Hauptforderung besagt, wie man „Erzeugungsanlagen am Niederspannungsnetz“ mit dem Hausnetz verbinden kann. Nollau: „Es ist die Energiesteckvorrichtung beschrieben, wobei das Schutzziel im Vordergrund steht. Stecker und Steckdose müssen so konstruiert sein, dass berührbare Steckerstifte in nicht gestecktem Zustand nicht unter Spannung stehen.“

Wer Pech hat, bei dem versagen die Sicherungseinrichtungen 

Speziell in älteren Gebäuden lauerten auch technische Gefahren, erklärt Nollau. Weil der Weg des Stroms vom Zähler über den Sicherungskasten zur Steckdose durch die Installation einer PV-Anlage umgekehrt werden kann, können Fehlerstromschalter keine Spannungsschwankungen beispielsweise durch ein defektes Gerät mehr feststellen, versagen Leitungsschutzschalter den Dienst bei einer Überlastung.

Das alles muss nicht gleich zu einem Desaster wie einem Brand führen. Aber, so sagt es der Geschäftsführer der Berliner Elektro-Innung, Constantin Rehlinger: „Stellen Sie sich vor, die Balkonsteckdose ist nicht separat angeschlossen, sondern an dem Stromkreis hängt noch der digitale Wohnzimmerfernseher dran. Es kommt zu Überspannungen, worauf die Elektronik im Fernseher empfindlich reagieren kann. Dann ist der Ärger groß.“

Dringende Empfehlung der Elektriker-Innung: Lassen Sie einen Fachmann ran

Rehlinger empfiehlt daher dringend, „vor Anschluss einer sogenannten Balkonanlage einen sogenannten E-CHECK durch einen Innungsfachbetrieb durchführen zu lassen. Dann ist der Kunde auf jeden Fall auf der sicheren Seite und kann die Anlage sicher betreiben.“

Es gehe dabei nicht nur um den Strom. Für die Balkonanlagen sei auch entscheidend, dass sie fachgerecht angebracht werden, mit Berücksichtigung möglicher Verschattung des „Unter“-Mieters, der Himmelsrichtung oder der Widerstandsfähigkeit gegen Wind.

Der TÜV hält Balkon-Solarkraftwerke für einen guten Beitrag für die Energiewende, der sich für den Nutzer unter idealen Bedingungen (Südseite, 35-Grad-Winkel, keine Verschattung) rechne sich eine übliche  600-Watt Anlage schon nach fünf Jahren, einen Stromverbrauch von 2000 Kilowattstunden pro Jahr vorausgesetzt.

Rechenhilfe von Berliner Hochschule, und Warnungen vom TÜV

Die Fachhochschule HTW stellt online einen Rechner parat, mit dem man herausfinden kann, wie viel man beim Stromverbrauch und dem CO2-Ausstoß durch eine Balkon-Solaranlage sparen kann.

Der TÜV hat allerdings auch Warnungen parat. Ein erhöhtes Brandrisiko bestehe zwar im Vergleich zu anderen technischen Anlagen nicht, sofern die Montage sachgemäß erfolgt. 

Denn: „An einer Steckdose beziehungsweise an einem Stromkreis sollte jeweils nur ein Solargerät angeschlossen werden. Es sollten niemals mehrere Geräte an eine Mehrfachsteckdose angeschlossen werden, um eine Überlastung und damit einen möglichen Schwelbrand zu vermeiden“, sagt Hermann Dinkler, Energieexperte des TÜV-Verbands. 

Dinkler: „Damit es nicht zu Sachschäden oder Verletzungen kommt, sollten Verbraucher ausschließlich normgerechte und sicherheitsgeprüfte Geräte und Montageteile verwenden.“ Insgesamt sollten nicht mehr als 600 Watt anliegen.

Noch ein paar Normen gefällig?

Allerdings wirft die TÜV-Stellungnahme neue Verwirrung durch weitere Normen auf. So empfiehlt der Verband, dass der Wechselrichter eine Konformitätserklärung gemäß VDE AR 4105 enthält.

Um sicherzustellen, dass das Solargerät gemäß den geltenden EU-Richtlinien hergestellt wurde, „sollten Verbraucher auf eine entsprechende CE-Kennzeichnung und auf das Siegel einer unabhängigen Prüforganisation wie den TÜV achten“.

Die Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie DGS habe dann noch den Sicherheitsstandard DGS 0001:2019-10 für  Balkon-Kraftwerke eingeführt.